Schnitt in die Seele: Hintergrundwissen zur weiblichen Genitalverstümmlung

Von Vanessa von Gliszczynski

Die weibliche Genitalverstümmelung ist immer wieder Thema, wenn es um Menschenrechte - speziell die der Frauen - geht. Allzu oft fehlt in solchen Diskussionen aber das nötige Hintergrundwissen und die entsprechende Literatur ist eher übersichtlich.

Eine gute Einführung in die Problematik der weiblichen Genitalverstümmelung gibt der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes veröffentlichte Sammelband Schnitt in die Seele. In 25 Aufsätzen gibt das Buch den LeserInnen einen leicht verständlichen Überblick über Verbreitung, Formen und Problematik der Genitalverstümmelung. Weltweit sind rund 150 Millionen Frauen von Genitalverstümmelungen und ihren Folgen betroffen. Auch wenn die meisten Kulturen, in denen weibliche Beschneidung vorkommt, in Afrika angesiedelt sind, heißt dies nicht, dass diese Form der Menschenrechtsverletzung nicht auch in Europa vorkäme. MigrantInnen lassen auch in Deutschland, Frankreich oder Belgien ihre Töchter verstümmeln. Andererseits suchen auch viele Frauen in Europa nach Asyl, um sich oder ihre Töchter vor der grausamen Prozedur zu retten. Vor allem Frauen läuft bei den Beschreibungen der verschiedenen Arten der Genitalverstümmelung ein Schauer durch den Unterleib. Das liegt allerdings nicht am Schreibstil von Petra Schüll, der Autorin des entsprechenden Aufsatzes zu Weiblicher Genitalverstümmelung in Afrika - im Gegenteil: der erste Aufsatz ist in diesem Fall auch einer der besten.

Spannend und für EinsteigerInnen höchst informativ sind auch die letzten Kapitel über medizinische und historische Aspekte der weiblichen Beschneidung, sowie der Vergleich mit der Beschneidung von Jungen im letzten Abschnitt des Buches. Zwischen diesen beiden Teilen liegen allerdings fast 100 Seiten Erfahrungsberichte und Arbeitsprotokolle von AktivistInnen. Dieser Block ist zwar nicht uninteressant, hat aber zwei Haken: Es doppelt sich so einiges. Nach den ersten Texten kennt man die Motivation der AkteurInnen auswendig und die methodischen Ansätze sind überdeutlich. Wirklich lesenswert sind diese Bericht nur für diejenigen, die bereits einiges über weibliche Genitalverstümmelung wissen und selber dagegen aktiv werden wollen.

Die Problematik der Genitalbeschneidung ist erst in den letzten Jahrzehnten in das Blickfeld der Öffentlichkeit getreten. In letzter Zeit findet das Thema aber dank autobiographischer Romane wie Wüstenblume von Waris Dirie oder Fauziya Kassindjas Niemand sieht dich, wenn du weinst immer mehr Aufmerksamkeit. Dies will auch Schnitt in die Seele erreichen. Gleichzeitig will der Sammelband das nötige Wissen über die weibliche Genitalverstümmelung bereitstellen, was bei Diskussionen leider allzu oft fehlt. Terre des Femmes möchte die in der Vergangenheit ignorierte und totgeschwiegene Thematik enttabuisieren und als Thema der MenschenrechtsaktivistInnen etablieren. Dazu hat Schnitt in die Seele den ersten Schritt in die richtige Richtung getan. Die AutorInnen sind sensibel und parteiisch, was bei diesem Thema aber kein Kritikpunkt sein darf. Wer sich für Menschenrechtsverletzungen, Gender Studies oder Migrationsproblematik interessiert, wird bei Schnitt in die Seele auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.

Terre des Femmes (Hg.): Schnitt in die Seele. Weibliche Genitalverstümmelung - eine fundamentale Menschenrechtsverletzung, Mabuse-Verlag, Frankfurt 2003, Preis 12,90 Euro.