Vergessenes Comicgenie

Der französische Comiczeichner Edgar Pierre Jacobs wäre im März 100 Jahre alt geworden. Eine Ausstellung in Paris würdigt sein Werk. Von Vanessa von Gliszczynski

Der franko-belgische Comic wird oft mit Tim und Struppi oder Spirou und Fantasio gleichgesetzt. Aber da gibt es auch noch die oft vergessene Reihe Blake and Mortimer von Edgar P. Jacobs. Er steht in enger Verbindung zur franko-belgischen Zeichenschule der ligne claire, die vor allem von Hergé, dem Schöpfer von Tim und Struppi repräsentiert wird, für den Jacobs auch zeichnete. Die ersten Episoden von Blake and Mortimer erschienen in Hergés Magazin Tintin. Seine Comics heben sich aber deutlich von den übrigen Werken der Hergé-Clique ab.

Blake and Mortimer spielt hauptsächlich im Frankreich nach Ende des Zweiten Weltkriegs und ist deutlich durch die Stimmung dieser Zeit geprägt. Der britische Nuklearphysiker Phillip E. A. Mortimer und sein Freund und Mitbewohner Francis P. Blake, der für den britischen Geheimdienst M1 arbeitet, kämpfen in den elf von Jacobs gezeichneten und getexteten Bänden gegen alle denkbaren Versuche diktatorischer Verbrecher, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Ihr Hauptgegner ist dabei Colonel Olrik, der entweder selbst versucht, die Macht in Europa an sich zu reißen oder als rechte Hand eines Diktators auf die beiden Helden trifft.

Die Abenteuer, die Blake und Mortimer erleben, spiegeln den Zeitgeist der späten Vierziger- und Fünfzigerjahre wieder. Die Angst vor einem neuen Diktator, der Europa oder die Welt erobern will, wird schon in der ersten Episode des Comics deutlich: Der Kampf um die Welt ist Edgar P. Jacobs 150-seitiger Geniestreich. Darin versuchen die »Gelben«, eine Mischung aus Japanern und Deutschen, in einem Blitzkrieg die Welt zu erobern, unterstützt von Colonel Olrik. Das Heldenduo Blake and Mortimer schlägt von einem Versteck im Oman zurück und kann am Ende die Welt retten. Man merkt hier deutlich, wie Jacobs die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs verarbeitet.

Auch Spuren des kalten Krieges werden in den Comics Edgar P. Jacobs deutlich: In SOS Meteore vermutet Blake zunächst, dass die Bedrohung der Welt aus dem Osten kommt. Andererseits werden Amerikaner nur als unhöfliche und respektlose Menschen dargestellt. Somit nimmt Jacobs in seinem Comic keine klare Position ein.

Die Vor- und Nachteile von Wissenschaft und Technik, vor allem für den militärischen Bereich, werden in Blake and Mortimer immer wieder aufgegriffen. So wird Europa in S.O.S Meteore von sinnflutartigen Regenfällen, Nebel, Hagel und Schnee heimgesucht. Olrik hat eine Technik entwickeln lassen, mit der das Wetter kontrollierbar wird. Schnee und Nebel sollen so gesetzt werden, dass Frankreich bei Nebel in einem Blitzkrieg erobert werden kann. Hier zeigt sich die Hoffnung und Begeisterung für die Möglichkeiten der Wissenschaft, denn Blake ist fasziniert von der in der Realität nicht existierenden Technologie. Andererseits wird auch die Angst vor dem Missbrauch solcher Möglichkeiten deutlich.

Blake and Mortimer als Charaktere entsprechen dem Heldenbild der Fünfzigerjahre. Sie sind so lässig wie James Bond, haben aber keine Frauenabenteuer. Das »schwache Geschlecht« ist bei Jacobs sowieso deutlich unterrepräsentiert, wie auch bei Hergés Tim und Struppi.

Der Erzählstil in Blake and Mortimer hebt sich von den bekannteren franko-belgischen Comics ab. Es fällt auf, dass in einem Kästchen über jedem Bild die Story weitererzählt wird, obwohl auch die Bilder und Sprechblasen zum Verstehen genügen würden. Die Zeichnungen Jacobs stechen durch ihre Liebe zum Detail hervor: Gesichtszüge, Hintergründe und Schattenwurf sind wohlüberlegt und akribisch ausgearbeitet. Lesen kann Blake and Mortimer jeder, der sich für gute Comics oder Agentenstorys interessiert. Für Jugendliche sind sie Unterhaltung, für Erwachsene spannende und tiefgehende Lektüre. Auch als Spiegel für den Zeitgeist von 1946 bis 1960 sind die Comics unentbehrlich. Das hat auch das Musée de l'Homme in Paris erkannt und Jacobs und seiner Comic-Reihe eine Ausstellung gewidmet. Noch bis Anfang Juli - sie wurde gerade um 2 Monate verlängert - kann man im Museum BLAKE ET MORTIMER A PARIS bewundern. Gerade ist zudem die Biographie La Damnation d'Edgar P. Jacobs erschienen, die sich auch stark Blake and Mortimer widmet. Allerdings ist diese bis jetzt nur auf Französisch erhältlich.