Widerständischer Kapitän

Bildergeschichten X:Vor 100 Jahren wagten die Herero und die Nama einen Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft Von Jörg Huwer

Der nebenstehende Porträtausschnitt ist auch auf den Rückseiten der namibischen Banknoten zu sehen. Er zeigt Hendrik Witboi, der bis 1894 als Kapitän (Oberhaupt) der Nama - im Kolonialdeutsch als »Hottentotten« bezeichnet - den Widerstand seines Volkes gegen die Kolonialmacht anführte. »Ich wiederhole: ›Friede ohne ausdrückliche Unterwerfung unter die deutsche Schutzherrschaft‹ gibt's für Dich und Dein Volk nicht mehr«, schrieb im Mai 1894 Theodor Leutwein, damals Landeshauptmann und später Gouverneur des so genannten Schutzgebietes, an Witboi. Dieser musste im September kapitulieren und unterzeichnete schließlich einen »Schutzvertrag«, der die Nama unter die Hoheit des Deutschen Kaisers zwang.

Dieses Einlenken des Nama-Kapitäns Witboi markiert das Ende der deutschen Eroberungsphase in »Deutsch-Südwest«. In den darauf folgenden Jahren wurde die koloniale Herrschaft dazu genutzt, die fruchtbaren Landflächen zu übernehmen - die einheimische Bevölkerung wurde nun zum Dasein als LandarbeiterInnen gezwungen oder in Reservate gedrängt. Ein Schicksal, das besonders die Herero traf, ein halb-nomadisches Volk von RinderzüchterInnen, deren Weideland systematisch dezimiert wurde und deren Herden durch Pfändung weit unter Wert allmählich in den Besitz der deutschen FarmerInnen übergingen. Eine Rinderpest im Jahre 1897 bewirkte die weitere Verschuldung der Herero und zwang sie endgültig in die Stellung von abhängigen Arbeitskräften.

In den Augen Leutweins waren die Herero die unbrauchbarste Gruppe unter den Eingeborenen, »sowohl als Krieger wie als Arbeiter.« Dennoch wurde seine Haltung den Herero gegenüber von vielen SiedlerInnen und vom Generalstab in Berlin als zu »lasch« empfunden. Als im Januar 1904 der absehbare Aufstand der Herero ausbrach, wurde Leutwein durch General Lothar von Trotha ersetzt. Dieser konnte im August die Herero entscheidend schlagen - die Überlebenden wurden in die Omaheke-Sandwüste getrieben, Trotha ließ jede Rückkehr verhindern: »Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen«, lautete der Befehl für eine Vernichtungspolitik, die schätzungsweise drei Viertel der 80000 Herero das Leben kostete. »Ich glaube, dass die Nation (der Herero) als solche vernichtet werden muß«, teilte Trotha in einem Brief dem Generalstab mit. Für den Sozialdarwinisten war der Aufstand der »Anfang eines Rassenkampfes«. Auch die Witboi-Nama hatten sich dem Herero-Aufstand angeschlossen. Der Krieg wurde erst 1907 beendet, mindestens ein Drittel der Nama wurde getötet, Witboi selbst fiel 1905 im Alter von 70 Jahren.

In der damaligen deutschen Öffentlichkeit sorgte der Aufstand für Aufsehen. Die Reichstagswahlen von 1907 firmierten in der Presse gar unter dem Titel »Hottentottenwahlen«. Die heutige Erinnerung an die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Verbrechen ist hingegen immer noch stark geprägt durch die paradoxe Haltung eines gleichzeitigen Zurückweisens und Relativierens durch Verweis auf die Taten anderer Kolonialmächte: »Wir nicht, die anderen auch«, wie der Historiker Albert Wirz formulierte. Dies und die in den USA eingereichten Schadensersatzklagen der Herero werden wohl im Gedenkjahr 2004 die größten Hürden sein, zumindest eine offizielle Anerkennung und Entschuldigung seitens der deutschen Regierung zu erreichen.