Stürmen für Deutschland: Deutsche Fussbal während und nach dem Nazismus

Von Volker Elste

Als vor wenigen Wochen der Fußballer Helmut Rahn starb, wurde in fast allen Medien an das »Wunder von Bern« erinnert, den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1954 durch die deutsche Nationalmannschaft. Und damit an ein Ereignis, das weit über den Fußball hinaus Bedeutung erlangt haben soll. Vom neuen »Selbstwertgefühl einer Nation«, ja von der »Wiedergeburt der Nation« nach dem Zweiten Weltkrieg, wurde überall gesprochen.

Es verwundert daher nicht, dass auch das Buch Stürmen für Deutschland von Dirk Bitzer und Bernd Wilting mit dem »Wunder von Bern« endet. Sie erinnern an das »Aus! Aus! Aus! Aus! Das Spiel ist aus! Deutschland ist Weltmeister!« des damaligen Radioreporters Herbert Zimmermann. Aber auch an die Rede des Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB), Peco Bauwens, während der Siegesfeier im Münchner Löwenbräukeller. Dieser hatte unter anderem vom »Führerprinzip« gesprochen, das für den Gewinn der Weltmeisterschaft maßgeblich gewesen sei.

Das von den Autoren gewählte Enddatum bietet den Vorteil, dass in Stürmen für Deutschland der Entwicklung nach 1945 mehr Raum gegeben wird als in vergleichbaren Büchern. Diese enden zumeist 1945 und behandeln die Zeit nach dem Nationalsozialismus nur als Ausblick. Bitzer und Wilting widmen sich hingegen in eigenen Kapiteln der Entwicklung im Saarland und in der DDR. Lesenswert in diesem Teil des Buches ist besonders der Abschnitt über die personellen Überschneidungen in der DFB-Spitze vor und nach 1945.

Das Buch beginnt mit dem Jahr 1933 - nach einem kurzen Rückblick über die zurückliegende Geschichte des Fußballs in Deutschland. Detailliert werden die Ereignisse bis 1954 beschrieben. Allerdings bieten Bitzer und Wilting für die Zeit des Nationalsozialismus wenig neue Aspekte. So wurde zum Beispiel die Geschichte des österreichischen Nationalspielers Matthias Sindelar schon in zahlreichen anderen Publikationen behandelt. Sindelar hatte sich nach dem ›Anschluss‹ Österreichs 1938 geweigert, für eine ›großdeutsche‹ Mannschaft zu spielen. Auch in dem Kapitel über Kurt Landauer ist nichts Neues zu lesen. Landauer wurde als Jude nach 1933 von den NationalsozialistInnen gezwungen, sein Amt als Präsident des FC Bayern München aufzugeben.

Das größte Manko des Buches ist jedoch, dass Bitzer und Wilting zu großen Wert auf Zahlen und Daten legen. Die Kritik, zum Beispiel am Verhalten einzelner Personen oder Vereine gegenüber dem Nationalsozialismus, kommt an vielen Stellen leider nur zwischen den Zeilen zum Vorschein.

Dirk Bitzer, Bernd Wilting: Stürmen für Deutschland - Die Geschichte des deutschen Fußballs von 1933 bis 1954, Campus Verlag, Frankfurt/Main 2003, 21,50 Euro.