Testgelände für Studiengebührenmodelle

Von Markus Struben

Im Sommersemester 2002 wollte Nordrhein-Westfalen, das ehemalige Kernland der Bildungsreform, in einer Nacht- und Nebel-Aktion gleich sämtliche derzeit im Handel befindlichen Studiengebührenvarianten auf einmal einführen. Als sich der Nebel gelichtet hatte, entstand die größte studentische Streikwelle seit 1997. So konnten kurzzeitig konzentriert und in direkter politischer Konfrontation alle Pro- und Contra-Argumente in ihrer öffentlichen Wirkung getestet werden.

Vorerst mündete der Streik in den Wahlkampf. »Wir wollen deutlich machen, dass Bildung ein endliches Gut ist«, »Studiengebühren sorgen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Ressource Bildung«. Solche Aussagen finden sich offensichtlich zurzeit auf zentral vorformulierten Argumentationskärtchen von rot-grünen Landtagsabgeordneten und BundestagskandidatInnen. Mühevoll und auswendig gelernt leiern die alt gewordenen Ex-68erInnen solche neoliberalen Plattitüden auf Podiumsdiskussionen und Wahlkampfveranstaltungen herunter. Vielen merkt man an, dass sie vor den letzten Landtags- und Bundestagswahlen noch gelernt haben, wie rot-grüne WahlkämpferInnen zu reagieren haben, wenn CDU- und FDP-VertreterInnen solche Argumentationsmuster benutzen.

Weniger gequält geht es hingegen bei der Parteiprominenz zu. Dort geht man offensiv zur Sache. Rote und grüne SpitzenpolitikerInnen rühmen sich mit der - minimalen - Erhöhung des Bildungsetats, der - nicht erkennbaren - BAföG-Reform und dem - mehr als löchrigen - Studiengebührenverbot. Gerhard Schröder betont immer wieder, wie sehr ihm soziale Gerechtigkeit im Bereich der Bildungschancen vor allem auch aus persönlicher Erfahrung am Kanzlerherzen liege: »Ob jemand studieren kann, muss davon abhängen, was er im Kopf hat, und nicht davon, was er im Geldbeutel hat.« Nur wenn ihn protestierende StudentInnen allzu störend an die rot-grüne Wirklichkeit erinnern, platzt ihm der Kragen, und er lässt sich dazu herab, einen von ihnen auf die Bühne zu zerren, um ihn als phänotypisch erkennbaren ›Langzeitstudenten‹ zu beschimpfen. VertreterInnen der Grünen haben - als ewig von der SPD unterdrückte KoalitionspartnerInnen - schon eher die Strategie ›Verteidigung ist der beste Angriff‹ verinnerlicht: Studiengebühren seien sozial gerecht, da man nur so Verteilungsspielräume für die Bildung im Schulbereich sichern könne.

Drei Hauptmotive für Studiengebühren

Was verleitet SPD und Grüne dazu, ihre bildungspolitischen Zielsetzungen und Argumentationen zu verschieben? Wie kommt es, dass gerade sie besonders produktiv sind, wenn es um neue Gebührenmodelle geht? Warum will ausgerechnet Nordrhein-Westfalen - das ehemalige Kernland der sozialdemokratischen Bildungsreform - die bisher umfassendsten Gebührenpläne eines einzelnen Bundeslandes verwirklichen, und warum musste es teilweise zurück rudern? Dazu sollen hier die Hauptmotive von StudiengebührenbefürworterInnen, die daraus folgenden Gebührenmodelle und die Protestbewegungen beleuchtet werden.

Einem mündlichen Vortag des ehemaligen ABS-Geschäftsführers Olaf Bartz folgend, lassen sich drei Motivlagen zur Einführung von Studiengebühren unterscheiden: Zum ersten eine bürokratisch-fiskalische, zweitens eine technokratisch-steuerungsorientierte und nicht zuletzt betriebswirtschaftliches Kalkül.

Das erste - bürokratisch-fiskalische - Motiv ist nicht primär bildungspolitisch begründet und findet seinen Ausdruck vor allem in Einschreibe-, Verwaltungs- oder Rückmeldegebühren. Um zusätzliche Einnahmen für die Staatskasse zu beschaffen, wird eine relativ niedrige Gebühr eingeführt, die trotz bürokratischen Aufwands eine haushaltsrelevante Summe ergibt. Es entsteht kein spürbarer Steuerungseffekt durch solche Gebühren, da kaum jemand sein Studium wegen der rund fünfzig Euro, die derzeit als Standardhöhe gehandelt werden, beschleunigen oder frühzeitig beenden wird - auch wenn klar ist, dass sich diese Summe gerade bei finanziell schlechter gestellten StudentInnen empfindlich bemerkbar macht. Sie eignen sich aber als durchaus auch bildungspolitisch gewollter Testballon, um die Akzeptanz von anderen Studiengebührenformen zu ermitteln.

Durch die willkürliche Festlegung einer solchen Gebühr, die in keinem erkennbaren Zusammenhang mit tatsächlich anfallendem Verwaltungsaufwand steht, aber auch aufgrund des sofort erkennbaren Willens, sich auf plumpem Wege die Steuereinnahmen zu erhöhen, ruft man schnell Protest bei den Betroffenen vor. Wenngleich aus sehr unterschiedlichen und inkompatiblen Motiven, was im Allgemeinen zu einem schnellen Eindämmen der Protestbewegungen führt: Diejenigen, die wegen ihrer finanziellen Situation oder aus Solidarität Kritik üben, finden aufgrund der geringen Höhe der Gebühr kaum Anerkennung bei anderen gesellschaftlichen Gruppen. Andere staatliche Sparmaßnahmen haben meist wesentlich härtere soziale Konsequenzen, StudentInnen werden als prinzipiell privilegierte Gruppe empfunden.

Auch die VertreterInnen des zweiten, des technokratisch-steuerungsorientierten, Motivs setzen darauf, die Solidarität unter den StudentInnen und die Solidarität anderer Gruppen mit den angehenden AkademikerInnen zu brechen. Hier geht es vor allem um Strafgebühren für ›Langzeitstudenten‹, aber auch für Menschen im Zweitstudium oder im Alter (SeniorInnenstudium). Während Verwaltungsgebühren vor allem das Lieblingskind von Finanz- und HaushaltspolitikerInnen jeglicher Couleur sind, sind Strafgebühren vor allem bei UnionspolitikerInnen, zunehmend aber auch bei SozialdemokratInnen beliebt. Orientiert an einer männlichen deutschen Normalbiographie werden Regeln für das Studium gesetzt. Regelverstöße müssen geahndet werden. Das kann ganz klassisch mit Zwangsexmatrikulationen vollzogen werden, in Verbindung mit der diesen Vorstellungen immanenten Sozialschmarotzer-Ideologie bieten sich aber vor allem auch Strafgebühren zur Steuerung an. Bürgerliche Freiheitsrechte werden gewahrt - alle sind frei in ihrer Entscheidung, für falsches Parken 25 Euro und für falsches Studieren 500 Euro Strafe zu riskieren.

In vielen gesellschaftlichen Gruppen und auch zunehmend innerhalb der Gruppe der StudentInnen finden solche Strafmodelle und ihre Rechtfertigung eine hohe Zustimmung. Die öffentlichen Haushalte sind angespannt, da kommen angebliche »Sozialhilfebetrüger« oder »faule Studenten« als Sündenböcke gerade recht. SPD und Grüne haben diese klassisch konservative Ideologie erfolgreich modernisiert und sie geschickt mit dem Thema Soziale Gerechtigkeit verknüpft. Eine Steilvorlage bot ihnen dabei die PISA-Studie. Die schon immer vorhandene Notwendigkeit, die Ausgaben im Schulbereich zu erhöhen, hat einen neuen öffentlichen Stellenwert erhalten.

Hier greift wieder das klassische Argument der leeren Kassen, das moralisch aufgepeppt wird: StudentInnen müssen dazu beitragen, die Schieflage innerhalb des gesamten Bildungssystems auszugleichen. Schließlich könne man nicht egoistisch auf eigene Privilegien beharren, während man gleichzeitig Kindern eine angemessene Grundausbildung verweigert. Rhetorisch produzierte weinende Kinderaugen scheinen erfolgreich zu verschleiern, dass es keine Sachgründe dafür gibt, die Umverteilung von Geldern innerhalb eines thematischen Zusammenhangs zu fordern. Schließlich könnten zusätzliche Gelder für den Schulbereich genauso aus dem Rüstungsetat fließen. Studentischer Widerstand gegen Strafgebühren kann - abgesehen von der notwendigen Aufklärung über die tatsächlichen Gründe und Kosten für längere Studienzeiten - nur gelingen, wenn sich StudentInnen mit anderen sozialen Gruppen inner- und außerhalb des Bildungsbereichs solidarisieren. Vertreten sie vorrangig ständische Interessen, begeben sie sich in die bereitgestellte Konkurrenzfalle.

Das dritte, das betriebswirtschaftliche Warenmotiv zur Einführung von Studiengebühren spart sich weitestgehend die Rhetorik von regelgemäßem Studium oder sozialer Gerechtigkeit. Hier wird Bildung ganz nüchtern als handelbare Ware angesehen. Eine Bildungseinrichtung ist ein Unternehmen, ihr Produkt ist Bildung. Diese Ware kann käuflich erworben werden von Menschen, die ihre eigene Ware, also ihre Arbeitskraft damit aufwerten und potenziell teurer verkaufen können. Für den Nutzen dieser Investition in die ›Ich-AG‹ soll dann auch bezahlt werden - in Form von allgemeinen Studiengebühren. Deren BefürworterInnen rühren seit Jahren die Propagandatrommeln, haben aber noch keine allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz erreicht.

Doch auch hier hilft die Sozialdemokratie, simpel gestrickte urkapitalistische Mechanismen in moderner Form umzusetzen. Im Bewusstsein, dass ungezügelte Marktradikalität erstens soziale Ressourcen verschwendet und zweitens sozialen Widerstand erzeugt, favorisierten sie - ähnlich der FDP oder des Centrums für Hochschulentwicklung - ein Modell von Bildungsgutscheinen bzw. Studienkonten.

Mit Hilfe der Studienkonten schafft man einen Bildungsmarkt. Grundsätzlich wird das Studium kostenpflichtig, die Währungseinheit sind Studienkonten, von denen der Staat den Menschen ein bestimmtes Kontingent kostenfrei zur Verfügung stellt. Mit diesem Startkapital entlässt man sie auf den Markt, auf dem dann sowohl die StudentInnen als auch die Hochschulen untereinander nach ökonomischen Kriterien konkurrieren können - oder vielmehr müssen. Gleichzeitig behält sich der Staat vor, auf diesem Bildungsmarkt zu intervenieren, ohne die ökonomischen Spielregeln prinzipiell in Frage zu stellen. Mit der Bemessung des Startkapitals kann jederzeit der Wunsch nach Bestrafung von regelabweichendem, also zu langem Studium befriedigt werden. Auch die Zahl der StudentInnen lässt sich durch Verschärfung aber auch Lockerung der sozialen Hürden indirekt regulieren. Der studentische Widerstand gegen das Studienkontenmodell lässt sich schwieriger organisieren. Die klassischen Argumente gegen Studiengebühren werden zwar nicht falsch, müssen aber genauer werden. Vor allem aber setzt eine fundierte Kritik am Studienkontenmodell voraus, dass man - zumindest innerhalb des Bildungssystems - die ökonomische Verwertungslogik in Frage stellt.

Streik 2002: Clement macht's möglich!

Die StudentInnen in NRW sahen sich Anfang Mai 2002 einer neuen bildungspolitischen Lage gegenüber. Ganz anders als noch beim ›Lucky Streik‹ 1997/1998. Damals kämpften die StudentInnen nicht gegen ein akut drohendes Studiengebührenmodell, sondern für die Verankerung des bundesweiten Verbots von Studiengebühren jeglicher Art im Hochschulrahmengesetz (HRG), das zu dieser Zeit in Form der vierten HRG-Novelle diskutiert wurde. Vor allem aber schien es klare realpolitische Alternativen zu geben: CDU und FDP standen für Strafgebühren, obwohl sie für unzureichende Studienfinanzierung verantwortlich und für fehlende Personal- und Sachmittel mitverantwortlich waren - und damit selbst zu den VerursacherInnen langer Studienzeiten gehörten. SPD und Grüne hingegen entdeckten ihre Beschlusslage wieder und solidarisierten sich mit der Streikbewegung, wollten dazu den Bundesrat instrumentalisieren, versprachen ein generelles Studiengebührenverbot und packten noch die Reform der Studienfinanzierung und die deutliche Erhöhung des Bildungsetats drauf.

2002 jedoch regiert Rot-Grün im Bund und immer mehr SozialdemokratInnen und Grüne liebäugeln mit Studiengebühren. Am 3. Mai 2002 kursierten die ersten Gerüchte, dass in Nordrhein-Westfalen die durch die fatale Steuerpolitik von SPD und Grünen beschleunigte Misere der öffentlichen Haushalte mit gravierenden Einschnitten im sozialen Bereich behoben werden sollte. Im NRW-Haushalt klafft ein Loch von 1,4 Milliarden Euro - nachdem 1,7 Milliarden Euro Körperschaftssteuer an die großen Unternehmen zurückgezahlt worden und kaum neue Einnahmen aus dieser Steuer zu verzeichnen waren. Nach zwei Tagen Recherche verhärteten sich die Gerüchte, dass die Landesregierung Verwaltungs-, Langzeit-, Zweitstudiums- und SeniorInnenstudiumsgebühren erheben und Einsparungen bei den Studentenwerken vornehmen wolle. Am 5. Mai war mit einer Resolution gegen die Pläne der Regierung das Landesbüro NRW des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) geboren. Bis zum 8. Mai unterstützten bereits fünfzig ASten, Gewerkschaftsorganisationen, Verbände und Einzelpersonen die Resolution, die sich für ein generelles Verbot aller Studiengebühren und für eine ausreichende Finanzierung des gesamten Bildungsbereichs aussprach. Als mittags die entsprechende Pressemitteilung veröffentlicht wurde, stürzte sich eine Pressewelle auf ABS, ASten, Rektorate, Abgeordnete und Ministerien.

Jetzt ging es Schlag auf Schlag: Die Universität Bielefeld trat als erste in den Streik, fast alle Hochschulen in NRW folgten dem Beispiel, Hunderte und Tausende StudentInnen gingen vor Ort auf die Straßen, einzelne Schulen und Gewerkschaften solidarisierten sich, SPD-Büros wurden besetzt, öffentliche Auftritte von Ministerpräsident Wolfgang Clement und anderen kamen nur noch selten ohne studentische Begleitung zustande, einige wurden kurzfristig abgesagt. SPD und Grüne stritten sich öffentlich untereinander und innerhalb ihrer Strukturen. Als ein Journalist Clement beim Medienfest in Köln auf das Thema ansprach, raunzte dieser, man möge ihn wenigstens einen Tag damit in Ruhe lassen. Wenige Stunden vorher hatte er seine Teilnahme am ›Medienlauf‹ wegen eines angeblich verstauchten Knöchels abgesagt, ein paar Tage zuvor musste er sich bei einer Jubiläumsfeier eines Kölner Verlagshauses den DemonstrantInnen stellen, nachdem diese zu Hunderten beharrlich und lautstark über das Dach des Veranstaltungshauses die Decke zum Beben gebracht hatten.

Im Juni kam dann die erste kleine Sensation: Die Verwaltungsgebühren und die geplanten Kürzungen bei den Studentenwerken wurden zurückgezogen. Die Einnahmen aus den übrigen Gebühren sollten ab 2004 nicht mehr komplett ins Haushaltsloch fließen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings sind weitere Kürzungen im Personalbereich der Hochschulen wieder möglich - dann läuft die Bestandsgarantie der letzten Personalstreichungswelle im Rahmen des so genannten Qualitätspaktes aus. Ab 2005 soll das simple Strafgebührensystem in ein Studienkontenmodell umgewandelt werden.

Jetzt wird sich zeigen, was die neue StudentInnenbewegung aus ihren Protesten und denen ihrer VorgängerInnen gelernt hat. Denn was eingangs als die drei Hauptmotive zur Einführung von Studiengebühren beschrieben wurde, zeichnet sich in NRW eher als chronologische Reihenfolge ab: Zunächst stand Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf dem Plan. Er hatte die StudentInnen als Einnahmequelle entdeckt und wollte neben einem einmaligen großen Schub an Strafgebühren für den kommenden Haushalt einen anschließend relativ stabilen Posten Verwaltungsgebühren für die nächsten Jahre. Sein Wunsch musste vorerst dem Druck der Protestbewegung weichen. Der Versuch, damit einen Keil in die StudentInnen zu treiben, misslang teilweise. Denn es gab noch genügend solidarische KommilitonInnen, die den Protest auf andere Weise fortsetzten. Die Landesregierung spielte auf Zeit und verschob die folgenden Entscheidungen auf die Zeit, in der klassischerweise hochschulpolitische Beschlüsse gefasst werden: auf die Semesterferien.

Zuvor wurde die zweite Phase durch den Ministerpräsidenten selbst eingeläutet: Er setzte auf Sozialneid, polterte gegen ›Langzeitstudenten‹ und verwies auf die angeblichen Erfolge in Baden-Württemberg. Die Sympathien anderer Gruppen für die StudentInnen sollten gebrochen werden. Vor allem die Landtags-Grünen übernahmen jetzt wieder verstärkt die Rolle, den Mann fürs Grobe mit moralinsaurem Gerede über arme Schulkinder und egoistische StudentInnen zu begleiten. Doch immer noch hält sich der Protest, wenn auch in einer den Umständen der vorlesungsfreien Zeit entsprechenden modifizierten Form. Er hat allerdings damit zu kämpfen, dass sich viele KommilitonInnen aus Angst vor einem Wahlsieg Stoibers mit der Kritik an rot-grünem Sozialabbau zurückhalten. Leider unterstützen sie damit das kalte Kalkül von SPD und Grünen, jeden Sozialabbau damit zu rechtfertigen, dass es Stoiber nicht besser machen werde. Dennoch gelang es, auf zahlreichen Wahlveranstaltungen beide Parteien immer wieder mit dem Thema zu konfrontieren. Am 10. September überreichten etwa 150 StudentInnen während der Haushaltsdebatte im Düsseldorfer Landtag einem Mitarbeiter der Bildungsministerin Gabriele Behler 117000 Unterschriften für ein generelles Studiengebührenverbot. Gleichzeitig präsentierten sie die Unterschriften auf einer dreieinhalb Kilometer langen rot-grünen Wäscheleine, die sich im Zickzack über die gesamte Wiese des Landtags erstreckte.

Nach der Bundestagswahl, zu Beginn der Vorlesungszeit, wird Bildungsministerin Behler den Part übernehmen, die dritte Phase der Studiengebührenpläne zu verkaufen - unabhängig davon, ob die Strafgebührenphase aus politischen, organisatorischen oder aufgrund der von ABS und Landes-ASten-Treffen angekündigten landesweiten Klagen aus juristischen Gründen scheitern wird. Es wird die schwierigste Phase für die Protestbewegung sein. Hier wird sie sich bewähren müssen. Flache Argumente, schlechte Reime, Pappsärge und Badetage in Rhein und Ruhr werden die Umstrukturierung des Hochschulsystems nicht aufhalten können. Studienkonten, Abschaffung der Gesamthochschulen, Hochschulfusionen, Entdemokratisierung der Strukturen, neu strukturierte Mittelvergaben und weiterer Personalabbau müssen analysiert und thematisiert werden. Und vor allem Solidarität - unter den StudentInnen und mit anderen sozialen Gruppen - ist gefragt. Wie heißt es doch so passend in einem alten - wenn auch heute im Duktus pathetisch klingenden - Lied der ArbeiterInnenbewegung: »Wer im Stich lässt seinesgleichen, lässt ja nur sich selbst im Stich. Drum vorwärts und nicht vergessen, worin unsere Stärke besteht: Beim Hungern und beim Essen, vorwärts und nicht vergessen - die Solidarität!«

Markus Struben ist NRW-Landeskoordinator des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Dieser Beitrag ist ein gekürzter Vorabdruck aus dem im Oktober erscheinenden Studienheft Bildungsfinanzierung des Bundes demokratischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen (BdWi).