Setzen, sechs!

Eine vergleichende Studie über die soziale und ökonomische Situation von StudentInnen stellt Deutschland ein schlechtes Zeugnis aus. Von Volker Elste

Als »absurd« hat Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) den Vorwurf des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS) bezeichnet, ihr Ministerium habe die Veröffentlichung der Studie Euro Student. Social and Economic Conditions of Student Life in Europe 2000 aus wahlkampftechnischen Gründen auf die Zeit nach der Bundestagswahl verlegt. Das ABS hatte unter Berufung auf ein Gespräch der philtrat mit einer Unterabteilung des Ministeriums das katastrophale Abschneiden Deutschlands für die Verschiebung der eigentlich für den 17. September vorgesehenen Präsentation der Studie verantwortlich gemacht. Inzwischen hat das Bundesbildungsministerium generell auf eine öffentliche Vorstellung verzichtet. Auch die Hochschul-Informations-System GmbH (HIS), welche die Studie durchgeführt hat, nahm diese inzwischen von ihrer Internetseite.

Ziel der unter anderem im Auftrag des Bundesbildungsministeriums erstellten Studie war das Entwickeln und Zusammenstellen international vergleichbarer Indikatoren über die soziale und ökonomische Situation von StudentInnen. Diese sollen den beteiligten Regierungen Anhaltspunkte für eine Reform des Bildungssektors liefern. Euro Student basiert auf nationalen Erhebungen aus Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden und Österreich. Für Belgien liegen hierbei Teilstudien für den flämischen und den wallonischen Teil vor.

Deutschland liegt bei fast allen Indikatoren am unteren Ende der Skala, während Finnland, das bereits bei der PISA-Studie sehr gut abgeschnitten hatte, in der Regel Spitzenpositionen einnimmt. Mit Blick auf den familiären Hintergrund von StudentInnen kommt die Studie beispielsweise zu dem Ergebnis, dass in Finnland und Irland 28 beziehungsweise 24 Prozent aus ArbeiterInnenfamilien kommen. In Deutschland sind es dagegen 19 Prozent. Erhebliche Unterschiede finden sich auch im Bereich der Bildung der Eltern. In Finnland besitzen 23 Prozent der Väter von StudentInnen einen akademischen Abschluss, in Deutschland sind es 37 Prozent.

Eine entscheidende Rolle spielt der familiäre Hintergrund auch in der Frage eines Auslandaufenthaltes während des Studiums. Für die InitiatorInnen der Studie gilt dies im Zeichen der zunehmenden Internationalisierung von Bildung als ein wichtiges Kriterium. Während der Anteil der StudentInnen, die einen Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren, in Deutschland höher ist als in Finnland, geht die Schere beim familiären Hintergrund auseinander. Das Verhältnis zwischen AuslandsstudentInnen mit schlechtem und gutem finanziellen Hintergrund ist in Finnland mit 13 zu 15 Prozent ausgewogen. In Deutschland existiert jedoch eine Lücke von zehn Prozentpunkten. Das Verhältnis liegt hier bei 14 zu 24 Prozent. »Practically class-independent participation is found in Finland,« resümiert die Studie. Deutschland hingegen weise in Bezug auf den ökonomischen Hintergrund »a substantial divide« auf. Verständlich werden diese Zahlen, wenn man die Finanzierung der Auslandsaufenthalte in Betracht zieht. Während in Deutschland StudentInnen ihren Auslandsaufenthalt zu 74 Prozent aus privaten Mitteln und nur zu 21 Prozent aus staatlicher Unterstützung decken, liegt das Verhältnis in Finnland bei 46 zu 38 Prozent.

»Die Studie als Ganzes zeigt, dass besonders in Deutschland die soziale und ökonomische Situation der StudentInnen stark an den ökonomischen Hintergrund gekoppelt ist«, kommentiert Markus Struben vom ABS NRW. »Die unter anderem in Nordrhein-Westfalen geplante Einführung von Studiengebühren würde die bereits bestehende soziale Selektion weiter verschärfen.«