Geld oder Ansehen?

Dafür und dagegen XI: Nach dem Studium noch eine Promotion anhängen - Ja oder Nein? Von Julia Groth, Max Lebsanft

dafür

Eine Promotion ist kein Spaziergang. Auch nicht für die, die durch ein Stipendium von Nebenjob und umfangreicher Lehrstuhlarbeit befreit sind. Und dennoch lohnt es sich, zu promovieren.

Vor allem beginnt mit der Promotion eine Lebensphase, in der man seinen Forscherträumen einmal so richtig freien Lauf lassen kann - und das über Jahre hinweg. Wer sich so lange in sein Spezialthema einarbeitet, weiß am Ende wirklich, wovon er redet. Vielleicht gelingt sogar ein Beitrag, der den Wissensbestand des eigenen Fachs nachhaltig erweitert. Ob Hegels Wesenslogik, altägyptische Pharaonenrituale, quantenphysikalische Zusammenhänge oder das politische System der Fidschi Inseln - spannende Themen gibt es genug. Oft gibt das Promotionsthema sogar Anlass zu weiten Reisen und dem Austausch mit interessanten Persönlichkeiten. Die Teilnahme an internationalen Tagungen oder ein Promotionsstipendium in einem fernen Land sind für DoktorandInnen keine utopischen Ziele. Überdies feiern viele während der Promotionszeit ihre ersten Publikationserfolge. Und nicht zu vergessen sind die lehrreichen Gespräche mit Studenten, Kollegen und Freunden an der Universität.

In den Alltagsmühlen so mancher Berufe ist die Möglichkeit zu so viel Selbstverwirklichung dagegen weitaus begrenzter. Ist man erst mal ins Berufsleben eingestiegen, ist für intensives Forschen meist keine Zeit mehr. Fast immer ist das freie Universitätsleben dann unwiderruflich passé. Denn nur ganz selten kehrt an die Uni zurück, wer sie einmal verlassen hat.Wer promovieren kann, sollte es deshalb tun. Eine zweite Chance gewährt Fortuna in den allerwenigsten Fällen.

Max Lebsanft

dagegen

Die Universität gibt sich gern als Hort der Bildung und des freien Meinungsaustauschs. Wer promoviert, darf als ausgewiesener Intellektueller in eine der oberen Etagen dieses Elfenbeinturms einziehen und, wenn alles gut läuft, irgendwann die Welt um eine wichtige Erkenntnis bereichern. Soweit das Bild, das Universitäten häufig verbreiten. Die Realität sieht anders aus.

Eigentlich ist die Universität ein Ort, in dem - Achtundsechzig hin oder her - Hierarchien noch funktionieren und jeder genau darauf achtet, dass ihm niemand etwas wegnimmt, das seiner Meinung nach ihm gehört. Hier schachern ProfessorInnen um Stellen und Geld, boxen sich ins Rampenlicht, wo es geht, und scheuen gelegentlich auch nicht davor zurück, wissenschaftliche Arbeiten ihrer Studierenden als ihre eigenen auszugeben. Die Universitätshierarchie ist eine Leiter mit angesägten Sprossen. Das haben die meisten ProfessorInnen verinnerlicht. Und diese Haltung bekommen Promotionsinteressierte zu spüren: Um promovieren zu dürfen, müssen sie schleimen, was das Zeug hält. Doktorvater oder -mutter wollen gebauchpinselt werden und ProfessorInnen, die sich etwas darauf einbilden, als Einzige etwas über den Koitus der Weinbergschnecke oder die Katzengoldvorkommen im östlichen Schwarzwald publiziert zu haben, in ihrer Brillanz gewürdigt werden. Ist man dann erfolgreich auf einer breiten Schleimspur zum Doktortitel gerutscht, bleibt man entweder an der Universität und versucht, mit den verkrusteten Strukturen klarzukommen. Oder man steht da und fragt sich, was so ein Titel in der richtigen Welt denn eigentlich für Vorteile bringt. Und kommt zu dem Ergebnis: gar keine.

Julia Groth