Aufstand der Ja-Sager

Die politische Aktivistengruppe The Yes Men sorgt mit ungewöhnlichen Aktionen regelmäßig für Aufsehen. Zuletzt propagierten zwei ihrer Mitglieder einen Brennstoff aus Leichen. Von Gregor Leyser

Die Erwartungen der BesucherInnen der Ölmesse im kanadischen Calgary Mitte Juni waren hoch. Zwei vermeintliche Repräsentanten der US-amerikanischen Mineralölindustrie hatten sich angekündigt, um über die Zukunft der Energiepolitik zu sprechen. Sie hatten wichtige politische Bekanntmachungen versprochen. Aufsehen erregend waren die Redebeiträge der sich als Shepard Wolff und Florian Osenberg vorstellenden Herren dann tatsächlich. Mit ihren Vorschlägen zur Lösung der Energiefrage hatte wohl niemand gerechnet.

Vivoleum nannten sie den Stoff, mit dem sie auf das absehbare Versiegen fossiler Brennstoffquellen reagieren wollen: Rohöl, gewonnen aus Leichen. Um Nachschub brauche man sich nicht zu sorgen, da bei der gegenwärtigen Energiepolitik die Todesfälle durch klimabedingte Umweltkatastrophen ein schier unerschöpfliches Reservoir böten. Fast interessanter als die Ausführungen der angeblichen Fachleute war die Reaktion der Messe-OrganisatorInnen. Erst nachdem die beiden Redner den Vortrag auf die Spitze getrieben und zwei angeblich aus Vivoleum gefertigte Kerzen abgebrannt hatten, wies man die Saalordner an, die beiden Redner zu entfernen.

Hinter der Aktion standen die Polit-Aktivisten The Yes Men, die damit auf die verfehlte Energiepolitik der führenden Industrienationen aufmerksam machen wollten. Seit den Neunzigerjahren benutzen sie dieselbe Taktik, um öffentlichkeitswirksam auf Missstände hinzuweisen. Sie geben sich als Vertreter internationaler Institutionen und Unternehmen aus und veröffentlichen Verlautbarungen, in denen sie die Politik ihrer angeblichen ArbeitgeberInnen bis zum Erreichen der Schmerzgrenze zu Ende denken. Als sehr nützlich dafür erwies sich die Registrierung der Internetdomain gatt.org, auf der die Yes Men einen vermeintlichen Internetauftritt der World Trade Organization (WTO) platzierten. So erhielten sie eine Reihe von Einladungen zu internationalen Tagungen.

Nachdem auf vielen Konferenzen Yes-Men-Konzepte wie der Handel mit Menschenrechtsverletzungen, konzeptionell vergleichbar mit dem Emissionshandel, unkritisch aufgenommen wurden, legte die Gruppe deutlich an Radikalität zu. So präsentierte sie unter anderem die Idee, menschliche Exkremente zu recyceln, um damit den Hunger in Afrika zu bekämpfen. 2002 bekam ein Yes Man als vermeintlicher Repräsentant der WTO große Zustimmung, als er in einer Rede verkündete, dass sich die WTO in ihrer bisherigen Form auflöse. Sie werde in Zukunft eine Organisation sein, die statt für die Interessen von Großkonzernen für die Unterstützung von Armen eintreten wolle.

In einer Verlautbarung zum 20. Jahrestag der Chemiekatastrophe im indischen Bhopal schlüpfte ein Yes Man in die Rolle eines Sprechers des Dow-Chemical Konzerns. Als Eigentümer des Unternehmens, das die damalige Katastrophe verschuldet hatte, wolle man sich seiner Verantwortung stellen und die betroffenen Familien mit zwölf Milliarden Dollar entschädigen. Mit dieser Ankündigung erreichten sie, dass die Dow-Aktie zeitweise in den Keller fiel. Ebenfalls als Dow-Repräsentanten stellten sie im gleichen Jahr BankerInnen den Acceptable Risk Calculator vor. Dieser sollte Firmen helfen, Standorte für Fabriken in Gegenden zu finden, wo die Bevölkerung bereit ist, ein hohes Unfallrisiko zu akzeptieren. Das Programm erntete großen Beifall. Einige BankerInnen ließen es sich nach der Veranstaltung nicht nehmen, mit Gilda, the Golden Skeleton, dem angeblichen Maskottchen des Konzerns, für Erinnerungsfotos zu posieren.