Rillen pflastern seinen Weg

Seit Anfang Oktober hat die Universität Köln ein Blindenleitsystem. Sehgeschädigte Studierende sollen sich mit seiner Hilfe besser auf dem Universitätsgelände orientieren können. Von Elke Hofmann

Strahlender Sonnenschein auf dem Albertus-Magnus-Platz: Was andere freut, kann für Thomas Schiller (Name geändert) zum Problem werden. Die Gefahr ist groß, dass er - geblendet vom gleißenden Licht - seinen Weg zum Hörsaal nicht findet, weil er keine Kontraste mehr erkennen kann. Eben die sind aber für den sehbehinderten Pädagogikstudenten eine wichtige Orientierungshilfe. Nur etwa ein Dreißigstel des Bereiches, den ein Erwachsener ohne Sehbehinderung erfasst, kann Schiller wahrnehmen. »Oft stand ich vor einer Treppe oder Hauswand und fragte mich, welches Haus ist das jetzt eigentlich?«, erinnert er sich.

Um sehgeschädigten und blinden Studierenden Erfahrungen dieser Art zu ersparen, hat die Universität Köln Anfang Oktober ein Blindenleitsystem installiert. Die Kombination aus weißen Rillen und schwarzen Platten ist in den Boden eingelassen und verbindet Philosophikum, Hauptgebäude und Hörsaalgebäude miteinander. Sehbehinderte Studierende können mit einem Langstock dem Rillenprofil folgen und sich so ohne fremde Hilfe von Gebäude zu Gebäude bewegen. Aufmerksamkeitsfelder, also Bodenplatten, die durch ein spezielles Profil gekennzeichnet sind, zeigen an, dass sich ein Fahrradweg oder eine Abzweigung in unmittelbarer Nähe befinden. »Es gibt viele Situationen, in denen das Leitsystem enorm erleichternd ist, zum Beispiel nach einem langen Tag in der Uni, wenn die Konzentrationsfähigkeit am Boden ist. Oder im Dunkeln«, erklärt Schiller.

Die Zivildienstbeauftragte der Universität Köln, Sylvia Wanitzke, freut sich über derart positive Resonanz. Die Idee, an der Universität ein Blindenleitsystem zu installieren, gebe es schon seit 2002, sagt sie. Damals sei vor allem der Fahrradweg als problematisch für die Sehgeschädigten wahrgenommen worden. »Uns war klar, der Radweg muss unbedingt markiert werden«, so Wanitzke. Vier Jahre lang wurde ein Konzept entwickelt und an der Bauidee gefeilt. Anfang September dieses Jahres konnte der Bau realisiert werden. Die Kosten in Höhe von 50000 Euro übernahm ein universitätseigener Fonds zur sozialen Förderung von Studierenden.

Reibungslos funktioniert die Benutzung des Blindenleitsystems aber noch nicht. Schuld daran sind Fahrräder, die auf den Rillenplatten geparkt sind. Bestenfalls erkennen Sehbehinderte die Räder als Hindernis und versuchen, sie zu umgehen. Schlimmstenfalls kommt es zur Kollision. Schon häufig ist es Schiller passiert, dass er Fahrräder mitgerissen und umgeworfen hat, die auf oder direkt neben dem Leitsystem geparkt waren. Viele Studierende halten die Platten fälschlicherweise für eine Verzierung, obwohl Handzettel mit Informationen dazu verteilt wurden.

Mit dem Bau des Leitsystems ist die Studiensituation Sehgeschädigter klar verbessert worden. Für die Zukunft ist die Produktion von Tastplänen des Universitätsgeländes angedacht. Reliefbögen sollen Blinden und Sehgeschädigten ermöglichen, sich durch Tasten einen Überblick über die Lage der Universitätsgebäude zu verschaffen. Auch eine Erweiterung des Blindenleitsystems wird erwogen. Für Schiller ein guter Ausblick: »Ihre Selbstständigkeit ist Sehbehinderten wichtig. Und da leistet das Leitsystem einen erheblichen Beitrag.«