Plattmachen um jeden Preis?

In Köln werden wieder Häuser besetzt: Das Barmer Viertel soll vor dem Abriss gerettet werden. Die BesetzerInnen wollen ein Soziales Zentrum einrichten. Von Gregor Leyser

Köln ist seit kurzem um eine Attraktion reicher: Es gibt wieder ein besetztes Haus, genauer gesagt einen ganzen Häuserblock mit 381 Wohnungen. Das als Barmer Viertel bekannte Areal zwischen Deutzer Bahnhof und Messe stand früher unter Denkmalschutz. Der wurde aufgehoben, um Platz für einen Büroturm schaffen zu können. Als die Unesco die Sichtbarkeit des Kölner Doms bedroht sah und mit dem Entzug seines Status als Weltkulturerbe drohte, wurden diese Pläne wieder aufgegeben. Nun ist um die Zukunft des Barmer Viertels ein Streit entbrannt.

Der ursprüngliche Besitzer, ein genossenschaftlicher Erbbauverein, hatte sich vertraglich verpflichtet, das Gelände in bebauungsfähigem Zustand an die Stadt Köln zu übergeben. Das heißt nichts anderes, als dass er für den Abriss der Wohngebäude zu sorgen hat. Das Ausschreibungsverfahren für den Abriss, das von der Stadt Köln durchgeführt wird, musste allerdings wegen Formfehlern wiederholt werden und ist erst Ende März beendet. Deshalb fühlt sich der Verein nicht mehr an den Vertrag gebunden. Er erklärte, die Zeit reiche nicht mehr aus, um die Gebäude bis zum vereinbarten Termin im Juni abreißen zu lassen. Endgültige Eigentümerin und zukünftige Bauherrin sollte eine InvestorInnengruppe um die Sparkasse KölnBonn und das Bankhaus Sal. Oppenheim sein. Die Stadt wollte ihr das Areal für 16,4 Millionen Euro verkaufen. Diese Summe verursachte bereits in der Vergangenheit Schlagzeilen, denn die Stadt hatte dem Erbbauverein zuvor 65 Millionen Euro gezahlt.

Seit Anfang Februar sind einige Wohnungen besetzt, unter anderem von AktivistInnen der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM). Sie fordern, den Denkmalschutz wiederherzustellen und den Wohnraum zu erhalten. Der Erbbauverein erklärte, die Gebäude seien unbewohnbar, aber seit dem Einzug der neuen BewohnerInnen können sich Interessierte davon überzeugen, dass die Wohnungen bezugsbereit und viele Badezimmer frisch saniert sind.

Die BesetzerInnen werden von der Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) unterstützt, die sich auf ihrer Mitgliederversammlung einstimmig gegen den Abriss des Viertels ausgesprochen hat. Sie appellierte an alle Parteien im Stadtrat, die Abrissgenehmigung zu widerrufen. Auch VertreterInnen von Linkspartei und Grünen überraschte der gute Zustand der Wohnungen. Sie kündigten an, sich in ihren Parteien für den Erhalt einzusetzen. Die Grüne Jugend hat sich inzwischen den BesetzerInnen angeschlossen und ebenfalls eine Wohnung in Beschlag genommen. »Eine schnelle Entscheidung zur Benutzung der Wohnungen ist dringend notwendig, damit ihr guter Zustand erhalten bleibt«, erklären die Nachwuchs-Grünen. Linkspartei, SPD und Grüne haben im Rat eine Mehrheit und könnten den Abriss verhindern.

Die Stadt hält an ihren Abrissplänen fest. Ein neuer Plan zur Nutzung des Geländes existiert zurzeit aber noch nicht. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) schlug vor, ein Kongresszentrum zu errichten, gab aber Mitte März gegenüber der Kölnischen Rundschau zu: »Es gibt keine derartige Halle, die schwarze Zahlen schreibt.«

Die BesetzerInnen haben unterdessen eigene Pläne für das Barmer Viertel entwickelt. Sie kündigen an, ein Autonomes Zentrum einzurichten. »Mit der selbstständigen Gestaltung eines der Häuser in der Barmer Siedlung soll versucht werden, wieder Debatte und Kampf um selbstverwaltete politische Räume zu beginnen«, heißt es in einer Erklärung. Zurzeit werden regelmäßig Konzerte, Filmabende und Informationsveranstaltungen angeboten. Ein Umsonstladen und ein Café sind den BesetzerInnen zufolge bereits eingerichtet.