Späte Rehabilitation

Die Universität hat nun im Nationalsozialismus aus ideologischen Gründen aberkannte Doktorgrade erneut verliehen. Von Julia Groth, Alexandra Streck

Dr. Walter Siegmund Selig Auerbach war Jude und engagierte sich in der SPD. 1933 genügte das, um ihn zur Emigration in die Niederlande zu zwingen. Wenig später wurden ihm sowohl seine deutsche Staatsbürgerschaft als auch sein Doktortitel aberkannt; die Begründung: »Unwürdigkeit«. Nach Kriegsende kehrte er nach Deutschland zurück und nahm seine politische Tätigkeit wieder auf. Er starb 1975, sein Doktortitel wurde ihm erst jetzt, dreißig Jahre später, wieder zuerkannt.

Am 12. Dezember 2005 wurden in der Aula der Universität Köln in feierlichem Rahmen Doktorgrade zurückgegeben, welche die Universität im Nationalsozialismus aberkannte. Ein wichtiger Schritt, denn damit wurde die eigene Schuld anerkannt und die volle Verantwortung übernommen. Dennoch: »Eine nachträgliche Korrektur oder eine Wiedergutmachung des begangenen Unrechts ist heute nicht mehr möglich, so dass sich die Universität von der eigenen Schuld nicht durch einen einmaligen Akt befreien kann«, stellte Rektor Axel Freimuth in seiner Erklärung während des Festaktes fest.

Den Anstoß zur überfälligen Wiederzuerkennung der akademischen Titel gaben die Ergebnisse eines geschichtswissenschaftlichen Hauptseminars im vorletzten Wintersemester, in dem die TeilnehmerInnen insgesamt siebzig Personen ermittelten, denen während des Nationalsozialismus an der Universität Köln die Doktorgrade entzogen worden waren. Eine Zahl, die zwar bundesweit gesehen im Mittelfeld liegt, in Köln aber ein stärkeres Gewicht bekommt, da erst seit Wiederbegründung der Universität 1919/20 überhaupt akademische Grade erworben werden konnten. Die Idee, das Thema in einem Seminar zu behandeln, stammt von Andreas Freitäger, dem Archivar des Kölner Universitätsarchivs. Quellen zum Thema gibt es genug. Margit Szöllösi-Janze, Dozentin der Veranstaltung, erklärt: »Die Quellen sprechen nicht von selbst, die sprechen, wenn man sie fragt.«

Und das Fragen war lange Zeit unerwünscht, denn nach Kriegsende ignorierte die Kölner Universität das von ihr verursachte Unrecht weitestgehend. In einem Rundschreiben des Kultusministeriums an alle Dekane von 1947 wurde dazu aufgefordert, die aufgrund von nationalsozialistischer Ideologie entzogenen Doktorgrade wieder zurückzugeben. Es kam jedoch bis zum vergangenen Festakt zu keiner umfassenden Rehabilitation; nur in Einzelfällen gab man in Köln den Titel wieder zurück. Hans-Peter Haferkamp vom Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte sagte dazu in seiner Rede im Rahmen des Festaktes: »Dieses Ergebnis wird noch betrüblicher, wenn man bedenkt, dass sich andere Universitäten wie etwa Tübingen, Freiburg und Heidelberg bereits zwischen 1946 und 1948 auf Senatsebene dieser Fälle angenommen hatten.«

Zur Begründung für die Aberkennung akademischer Grade diente in der Zeit des Nationalsozialismus immer wieder der Begriff der »Unwürdigkeit«. Als eines akademischen Grades unwürdig galten Ausgebürgerte, politische StraftäterInnen, Homosexuelle und ÄrztInnen, die sich dem Verbot, bei »arischen« Frauen Abtreibungen durchzuführen, widersetzten. Die Titelaberkennung war für viele gleichbedeutend mit einem Berufsverbot.

Auch nach 1945 galt »Unwürdigkeit« weiterhin als Grund, AkademikerInnen den Doktortitel zu entziehen, zum Beispiel bei Homosexualität. Erst 1987 wurde in Nordrhein-Westfalen diese diskriminierende Begründung als gesetzlicher Entziehungsgrund aufgehoben. Aber noch immer ist das Unrecht nicht ganz beseitigt: Die Doktorgrade, die erst nach 1945, aber noch nach aus dem Nationalsozialismus stammenden Recht entzogen wurden, sind bis jetzt nicht berücksichtigt.

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