Wirklich zu Gast bei Freunden?

Rassismus ist in deutschen Fußballstadien weit verbreitet und das nicht nur im Profibereich, sondern auch in den unteren Ligen. RechtsextremistInnen entdecken jetzt die WM als Bühne. Von Volker Elste

Nur kurz war der Schriftzug »Laut gegen Nazis« auf dem Sweatshirt von Andreas Bergmann bei der Übertragung des Pokalhalbfinalspiels FC St. Pauli gegen Bayern München Mitte April zu sehen. Nach dieser Aufschrift wurde der St.-Pauli-Coach beim Interview allerdings nicht gefragt. Es ging ausschließlich um die Aufstellung und Statistiken.

Der Verein mit seinem linksalternativen Publikum ist bereits seit Jahren Zielscheibe rechtsextremistischer Anfeindungen. Im ARD-Magazin »Panorama« sagte ein Anhänger des Kiezvereins, dass der Spruch »Wir bauen eine U-Bahn von St. Pauli nach Auschwitz« bei den gegnerischen Fans »schon ein Klassiker« sei.

Rassismus und Antisemitismus sind aber nicht nur bei Partien des FC St. Pauli weit verbreitet. Spieler des TuS Makkabi, der vor dem Aufstieg in die höchste Berliner Liga steht, wurden von ihren Gegnern mehrmals als »Judensau« bezeichnet. Zudem wurde die Freundin eines Makkabi-Mitglieds von Fußballern anderer Berliner Vereine als »Judenhure« beschimpft.

Für bundesweites Aufsehen sorgte vor wenigen Wochen der Fall Adebowale Ogungbure. Der nigerianische Spieler von Sachsen Leipzig war während der Begegnung mit dem Halleschen FC von den gegnerischen Fans mit Affengeräuschen bedacht worden. Nach dem Spiel zeigte er ihnen den »Hitlergruß«. Daraufhin ermittelte die Polizei für kurze Zeit gegen Ogungbure wegen Zeigens eines verfassungsfeindlichen Symbols. »Es ist unglaublich, dass ein farbiger Spieler, der die alltäglichen rassistischen Schmähungen gegen ihn nicht mehr ertragen kann und darauf reagiert, hier als Täter und nicht als Opfer dargestellt wird«, meint Martin Endemann vom Bündnis Aktiver Fußballfans (BAFF) zum Verhalten der Polizei.

Endemann fordert den Deutschen Fußballbund auf, im Vorfeld der Weltmeisterschaft die Antirassismusarbeit zu verstärken und dabei auf regionale und überregionale Fanprojekte zurückzugreifen. Auch Gerd Dembowski, ehemaliges BAFF-Vorstandsmitglied, befürchtet einen weiteren Anstieg an rassistischen Vorfällen vor der WM. Gerade Fans der unteren Ligen würden Länderspiele für rechtsextreme Propaganda missbrauchen: »Solche Leute entdecken die WM jetzt als Bühne.«

Bei der Weltmeisterschaft in Deutschland könnte erstmals bei einem internationalen Turnier eine vor wenigen Wochen beschlossene Regeländerung des Fußballweltverbandes FIFA greifen. Seit Anfang April besteht die Möglichkeit, Mannschaften, deren Fans sich rassistisch verhalten, mit Punktabzug und Wettbewerbsausschluss zu bestrafen. Die Mitgliedsverbände der FIFA müssen diese Bestimmung in ihr Regelwerk aufnehmen, andernfalls droht ein zweijähriger Ausschluss von internationalen Spielen.