Staublungen und Kronleuchter

Ob Universitätsbergwerk, Hightech-Tunnel, römische Fundamente oder Kammerkonzert in der Kanalisation: Touren durch das unterirdische Köln sind en vogue. Eine Museumstour wird zum Abenteuer. Von Christina Rietz

Loren, Förderbänder, Bohrer und Zahnräder stehen still. Keine Arbeiter mit schwarz verstaubten Gesichtern, in die nur der Schweiß Furchen gegraben hat, sind da, um die zahlreichen Maschinen zu bedienen. Es ist kein Klirren, Surren, Rattern oder Brummen zu vernehmen. Trotzdem ist der Boden noch gründlich gefegt, denn aufgewirbelter Kohlestaub könnte explosionsartig mit der Atemluft reagieren. Das vormalige Geschehen im Bergwerksstollen ist seltsam konserviert, und der Eindruck, jeden Moment könnte ein hustender Trupp Kumpel durch die Wettertüre für den Druckausgleich treten und »Schicht« rufen, ist übermächtig.

Wider Erwarten befindet sich der Schauplatz unserer kleinen Zeitreise nicht in einer stillgelegten Zeche im Ruhrgebiet. Zurück in die Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts verschlägt es vielmehr die BesucherInnen des Barbarastollens unter dem Hauptgebäude der Kölner Universität. Hier befindet sich der originalgtreue Bergwerksstollen, ausgestattet mit allerlei Gerät, einem Abluftsystem, einem Lastenaufzug und einem Schienennetz, auf dem die authentischen Loren Kohle abtransportieren könnten. Und doch haben diesen Stollen nie Bergleute betreten, ist hier nie Kohle abgebaut worden. Der Barbarastollen wurde 1932 unter der Universität installiert, geriet im Dritten Reich in Vergessenheit und wurde in den Achtzigerjahren zufällig wiederentdeckt. Nach der Instandsetzung in den Neunzigerjahren wurde er für BesucherInnen als Anschauungsobjekt eröffnet und dient heute dem Institut für Arbeitsmedizin als Versuchsstollen.

Allerdings ist der Stollen nur eine weitere Station im Skurrilitätenkabinett der Kölner Unterwelt; so reiht sich das Kwartier Latäng in die nicht enden wollende Liste unterirdischer Attraktionen der Stadt ein. Der subterrane Tourismus erfreut sich in Köln seit Jahren wachsender Beliebtheit: Ob Domfundamente, Ubiermonument oder die labyrinthartige Kanalisation - Köln hält für alle, die seiner oberirdischen Schönheit überdrüssig sind, eine Sehenswürdigkeit unter Tage bereit. Was das Reizvolle an häufig ungemütlichen, oftmals nasskalten, seltener übelriechenden, meistens aber ziemlich düsteren Orten im Souterrain der Stadt ist, darüber darf spekuliert werden.

Ein Dauerbrenner ist zum Beispiel ein eher profaner Ort, an dem die Kölner Hohenzollernverehrung - Ring, Brücke, Reiterstandbild - eher komische Formen annimmt: Wer am Theodor-Heuss-Ring hinab steigt ins feucht-modrige Dunkel des unterirdischen Kanalisationslabyrinths, den überrascht ein unerwarteter Anblick. Ein mittlerweile legendärer Kronleuchter hängt im gleichnamigen Saal - als nette Begrüßungsgeste für Wilhelm II., der im Jahr 1890 die damals modernste Kanalisation Deutschlands mit einem Besuch beehrte. Das Talent der KölnerInnen, die unterirdischen Sehenswürdigkeiten zu zweckentfremden und damit populär zu machen, zeigt sich besonders im Fall des Kronleuchtersaals: Während nebenan das Abwasser der wilhelminischen Cloaca Maxima vorbeirauscht, erklingt jedes Jahr zum Duft von Pfefferminzsträußchen Händels Wassermusik, gespielt vom Neuen Rheinischen Kammerorchester.

Die Moderne wartet im unterirdischen Köln dort, wo man sie nicht unbedingt erwartet hätte, eben in der Kanalisation oder unterm Rhein: Wer trockenen Fußes vom Breslauer Platz nach Deutz kommen möchte, muss nicht zwangsläufig eine Brücke benutzen, sondern kann unter dem Flussbett des Rheins durch den futuristischen Fernwärmetunnel der GEW RheinEnergie spazieren. 461 Meter lang ist die Röhre aus Stahlbeton, die 1984 mit Hilfe eines 64 Tonnen schweren Bohrschilds gebaut wurde.

Es ist dieses Nebeneinander von antiken, mittelalterlichen und modernen Attraktionen, die die Kölner Unterwelt für so viele verschiedene BesucherInnen interessant macht. Evergreens wie die zahlreichen römischen Überbleibsel oder die mittelalterlichen Domfundamente werden kontrastierend ergänzt durch andere Sehenswürdigkeiten, die eine dröge Museumstour zu einem Abenteuerausflug für GroßstädterInnen machen. So etwas endet dann in der Kanalisation. Oder eben im Bergwerk.

Hilfreich und empfehlenswert bei einer ersten Erkundung des unterirdischen Köln ist Franz Jungblodts Das unterirdische Köln zu Fuß, erschienen im Bachem Verlag Köln.