Rote Kapellen - Kreisauer Kreise - Schwarze Kapellen: Neues über den Widerstand

Von Volker Elste

Sie sind die absoluten Ikonen des deutschen Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime: Die »Männer des 20. Juli 1944« gelten als die Opposition gegen Hitler schlechthin. Beinahe zwangsläufig widmen daher auch Karl-Heinz Roth und Angelika Ebbinghaus der Gruppe um Claus Schenk von Stauffenberg den größten Teil ihres Buches Rote Kapellen - Kreisauer Kreise - Schwarze Kapellen. Das Versprechen im Untertitel - Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938-1945 - lösen die AutorInnen in ihren Beiträgen größtenteils ein.

Dies gilt besonders für Roth, der minutiös den Weg der bürgerlich-konservativ-reaktionären Opposition hin zum 20. Juli nachzeichnet. In diesem Zusammenhang betont Roth stärker als der Rest der Forschung, dass es sich bis in die ersten Kriegsjahre um eine »regime-loyale Opposition« gehandelt habe, die seit 1933 mit dem NS-System in einer »Koalition des nationalen Aufbruchs« verbunden gewesen sei.

Plausibel ist auch Roths Erklärung dafür, warum Stauffenberg am 20. Juli 1944 nur einen Sprengsatz mit einem Zünder ausgestattet hat: Er sei letztendlich davor zurückgeschreckt, nicht nur Hitler, sondern auch große Teile der militärischen Führungsschicht zu töten. Ein eigenständiges Kapitel widmet Roth der Beteiligung der Offiziersopposition an den Verbrechen im Verlauf des Krieges. Henning von Tresckow und andere Offiziere seien beispielsweise noch 1942/43 in die »Radikalisierung des Kleinkriegs hinter den Frontlinien« und damit in Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung involviert gewesen.

Wie Roth geht auch Angelika Ebbinghaus in ihrem Artikel über den Kreisauer Kreis über die Ansätze der bisherigen Forschung hinaus. Der Gruppe sei es von Anfang an um »mehr als eine systemimmanente Korrektur der NS-Politik« gegangen, da ihre Mitglieder nie auf der Seite der NS-Diktatur gestanden hätten. Ebbinghaus weist jedoch zugleich darauf hin, dass beispielsweise von Wartenburg an der PartisanInnenbekämpfung in Weißrussland beteiligt war.

Im Vergleich zu den Beiträgen von Roth und Ebbinghaus liefern die Texte über die Rote Kapelle und den Widerstand des »kleinen Mannes« leider wenig neue Erkenntnisse. Lesenswert ist das Buch dennoch. Zudem es immer wieder den sonst oft vernachlässigten Aspekt betont, dass es sich um Widerstand gegen ein System und nicht nur gegen Hitler handelte.

Karl Heinz Roth, Angelika Ebbinghaus (Hrsg.): Rote Kapellen - Kreisauer Kreise - Schwarze Kapellen. Neue Sichtweisen auf den Widerstand gegen die NS-Diktatur 1938-1945, VSA-Verlag, Hamburg 2004, 19,80 Euro.