Filmgattung der virtuellen Art

Vom Computerspiel zum animierten Film - Machinimas sind mehr als nur der abgespeicherte Spielverlauf der vielkritisierten Egoshooter. Die neue Kunstform hat inzwischen ihr eigenes Festival. Von Gregor Leyser

Trotz aller Bemühungen der Softwareschmieden und ein paar bekannter Positivbeispiele haftet Computerspielen nach wie vor ein etwas zweifelhafter Ruf an: verdummend, desozialisierend, sexistisch und gewaltverherrlichend sollen sie angeblich sein. Besonders die so genannten Egoshooter wurden zu diversen Anlässen von der Presse als virtuelle Trainigscamps für Nachwuchs-AmokläuferInnen verdammt und mussten als Erklärung für verwirrte Jugendhirne herhalten. Doch es gibt auch erfreuliche Neuigkeiten aus der Welt von Doom, Quake und Co., und diese dürften so manche KritikerInnen überraschen. Denn ausgerechnet diese schwärzesten Schafe unter den Computerspielen bilden den Ursprung für eine neue Form der Filmkunst: »Machine + Cinema + Animation = Machinima« lautet die Definition, die gleichzeitig auch die Herkunft des Kunstwortes erklärt.

Machinimas sind im weitesten Sinne Kurzfilme, allerdings ist ihre Produktion sehr spezieller Art. Die Drehorte sind die virtuellen Welten von Computerspielen, insbesondere die von Netzwerkspielen. Mit der Aufzeichnung eines solchen Netzwerkspiels hat man im Prinzip bereits einen simplen Machinima-Film geschaffen, doch die aktuellsten Werke gehen weit darüber hinaus. Viele der Spiele lassen sich »modden« (modifizieren), etwa durch den Einbau eigener Grafiken, Geräusche oder Musik.

Teilweise werden die Filme nach dem Schnitt synchronisiert, einige folgen einem festen Drehbuch, andere sind improvisiert und haben lediglich ein festgelegtes Thema. Die Herangehensweisen sind unterschiedlich und so bilden sich zwangsläufig Genres heraus. Die mittlerweile auf über sechzig Teile angewachsene Serie Red vs. Blue etwa begleitet die Soldaten eines virtuellen Schlachtfeldes in sämtlichen Situationen ihrer Existenz, inklusive Sinnkrisen, Heimweh und Schützengrabenfreundschaften. This Spartan Life ist eine Talkshow mit allen Themen, die man aus dem Nachmittagsfernsehen kennt, in der aber auch schon einmal einer der Entwickler des Spiels »persönlich« als Interviewpartner vorbeischaut. Da die Talkshow auf einem öffentlichen Spieleserver produziert wird, wissen leider oft nicht alle Mitwirkenden, dass sie gerade selbige stören und werden dann kurzerhand mittels Laserwaffe aus dem »Studio« entfernt. Shut up and dance fällt in den Bereich Musikvideo, hier kann man beobachten, was Untote, Elfen, Gnome und Zwerge tänzerisch auf die Beine bringen, während Not JUST another love und The Highwayman beides lupenreine Liebesfilme sind.

Das Stadium der skurrilen Randerscheinung hat Machinima mittlerweile hinter sich gelassen. Das Machinima-Film-Festival vergibt den »Mackie« in insgesamt 13 Kategorien, das deutsche bitfilm-Festival hat für die Machinimas eine eigene Kategorie eingeführt und die ersten Clips haben bereits ihr Ursprungsmedium verlassen und sind nun auf MTV zu bestaunen.

Auch die SpieleherstellerInnen haben bereits auf den Trend reagiert und für einige Engines künftiger Spiele weitere Funktionen angekündigt, die einzig dem Zweck der Erstellung von Machinimas dienen sollen. Durch die ständige Verbesserung der technischen Möglichkeiten wird wohl in nicht allzu ferner Zukunft lediglich die Kreativität das Limit für die »Machinimators« setzen. Wenn Sie also demnächst das blasse, pickelige Nachbarskind mit der dicken Brille und dem Trenchcoat in der Tagesschau sehen, erschrecken Sie nicht gleich. Vielleicht hat es auch einfach einen Oscar gewonnen.