Geiß zur Gärtnerin

Die designierte Bildungsministerin Annette Schavan lehnte bisher jegliche Bundes-Hochschulpolitik entschieden ab. Von Julia Kirchner

Mit Annette Schavan wird die bekannteste Gegenspielerin der scheidenden Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) deren Nachfolge antreten. In ihrer Funktion als CDU-Bildungsministerin in Baden-Württemberg sprach gerade Schavan dem Bund jedwede Berechtigung zur Hochschul- und Bildungspolitik ab und verwies immer wieder auf die Länderhoheit. Ironie der Geschichte: Als Bundesbildungsministerin wird sie auf diesem Gebiet weniger bewirken können als vorher.

Zehn Jahre lang war die studierte Pädagogin und Theologin Bildungsministerin der Regierung Baden-Württembergs unter Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). In diesen Jahren führte sie fächerübergreifende Lehrpläne in den Schulen ein, verkürzte das Abitur auf zwölf Jahre und ließ Fremdsprachen ab dem ersten Schuljahr unterrichten. Auf ihre Initiative hin wurde wieder ein obligatorischer Fächerkanon in der gymnasialen Oberstufe und im Abitur etabliert. 1997 ließ sie in Baden-Württemberg als erstem Bundesland Langzeitstudiengebühren erheben.

Schavans hochschulpolitische Vision besteht aus »Elitenbildung«, einem kreditfinanzierten Studiensystem und »autonomen Hochschulen«. Dazu möchte sie das Hochschulrahmengesetz, mit dem der Bund hochschulpolitische Richtlinien vorgibt, entweder abgeschafft oder zumindest stark verschlankt wissen. Auch das BAföG, das ebenfalls vom Bund getragen wird, möchte die Fünfzigjährige am liebsten abschaffen. Im immerhin offiziellen Widerspruch zu Angela Merkel stellte sie dies in ihrer Funktion als bildungspolitische Sprecherin der CDU in der Kultusministerkonferenz für den Fall eines Wahlsieges mit Nachdruck in Aussicht.

Für Aufsehen über die Landesgrenzen hinaus sorgte 1997 ihre Verfügung gemeinsam mit dem Oberschulamt Stuttgart, der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin im Zuge des Kopftuchstreits die Aufnahme in den Staatsdienst zu verweigern. Dies scheiterte zwar 2003 zunächst vor dem Bundesverfassungsgericht, wurde aber durch das im April 2004 erlassene baden-württembergische Kopftuchverbot nachträglich legalisiert. Dieses Gesetz wurde vielfach kritisiert, weil es ausschließlich das Tragen eines Kopftuches verbietet, nicht jedoch andere religiöse Kleidungen und Symbole wie Kreuze, die Kippa und sogar Nonnentrachten, die Schavan zudem ausdrücklich als »Berufskleidung« verstanden wissen will.

Unter Schavan kam es auch erstmals seit 25 Jahren wieder zu einem Berufsverbot gegen einen linken Lehrer. Im Dezember 2003 intervenierte das Kultusministerium auf Antrag des Innenministeriums gegen die Verbeamtung des 33-jährigen Heidelberger Realschullehrers Michael Csaszkóczy. Dieser stehe nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Er sei ein Verfassungsfeind und könne daher nicht als Lehrer tätig werden. Csaszkóczy hatte häufiger Demonstrationen gegen Nazi-Aufmärsche und deutsche Kriegseinsätze angemeldet und war Sprecher des Autonomen Zentrums in Heidelberg. Straftaten wurden Csaszkóczy nicht vorgeworfen. Trotz starker öffentlicher Kritik wich das Ministerium nicht von seiner Auffassung ab.

Das Bundesministerium, dem Schavan vorstehen wird, soll sich schwerpunktmäßig auf Forschung und Technologie konzentrieren. Hinsichtlich bildungspolitischer Fragen soll es im neu strukturierten Ressort zunächst zu einem Austausch von Bund und Ländern über »die wichtigsten strategischen Ziele in der Bildungspolitik« kommen. Dabei sollen die Bundesländer dem »Ziel der Souveränität« näher gebracht, der Bund weiter eingeschränkt werden. Dieser soll sich statt um Schulen und Hochschulen um die berufliche Bildung kümmern.