Ouvertüre

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In einem schlichten braunen Umschlag ohne Absender war er angekommen, der weiße Schnellhefter, der vielleicht den endgültigen journalistischen Durchbruch bringt. Für einen einfachen LeserInnenbrief sind es zu viele Seiten - enthält dieses simple Stück Plastik eventuell brisante Informationen, ein zweites Watergate, gefälschte Bilanzen von Großkonzernen oder wenigstens Mitschnitte kompromittierender Telefonate des Rektors?

Das Anschreiben zeigt jedoch, dass der Redaktion etwas viel weltbewegenderes zugespielt worden ist. Ein neuer Evangelist namens John hat uns sein Werk zur Weiterverbreitung anvertraut, ein Werk, dessen Folgerungen »sehr weit reichend sind« und »zur Erhöhung der Zufriedenheit und Vermeidung der Krankheiten der Menschen beitragen« würden. »Theorie über die Funktionsweise des Unbewussten« sind die mehrseitigen Ausführungen betitelt, deren Quelle John der Welt noch nicht offenbaren will.

Die Ge- und Verbote für den Umgang miteinander sind von John akribisch aufgeführt. »Wenn man zum Beispiel Tischtennis mit einer Frau spielt, die man liebt, sieht man eine Freudeerhöhung direkt, weil sie sich wieder wie ein Mädchen fühlt.« Das verwirrt uns dann doch, aber eine mögliche Erleuchtung folgt wenige Zeilen weiter. Denn, so steht geschrieben, »Frauen sind das Licht der Welt und je schöner sie sind und je mehr sie sich echt freuen umso stärker leuchten sie«. Aha. Und weiter heißt es: »Frauen sollen möglichst so durch das Leben getragen werden, dass sie sich (zur Freude der Männer) so freuen können als ob sie noch kleine Mädchen wären«. So soll der Mann die Frau auf Händen tragen und sie von Herzen lieben, nicht aber sexuell begehren, da dies ihren Freudegrad nicht erhöht. Das scheint der Kern der Botschaft.

Möglicherweise wird es diesmal doch wieder nichts, weder mit dem großen Durchbruch als NachfolgerInnen von Woodward und Bernstein, noch mit der umfassenden Erleuchtung. Zur stillen Kontemplation beim Tischtennis zieht sich zurück

die Redaktion