Posthume Ehrung für Piraten

Kölns Regierungspräsident ehrt vier Edelweißpiraten als politische Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime. Die Anerkennung der gesamten »Ehrenfelder Gruppe« steht indes weiter aus. Von Pascal Beucker

In einer Feierstunde hat der Kölner Regierungspräsident Jürgen Roters am 16. Juni vier von den Nazis hingerichtete Edelweißpiraten gewürdigt. Die erneute Beschäftigung mit den Kriegs- und Nachkriegsakten, der Kontakt zu ZeitzeugInnen und die neuesten wissenschaftlichen Arbeiten von HistorikerInnen hätten ihn zu der Überzeugung kommen lassen, dass es sich bei Bartholomäus »Barthel« Schink, Günter Schwarz, Gustav Bermel und Franz Rheinberger um politische Widerstandskämpfer gehandelt habe. »Mir liegt sehr daran, die Betroffenen politisch zu rehabilitieren und sie als Widerstandskämpfer anzuerkennen«, erklärte Roters.

Schink und Schwarz waren erst 16 Jahre alt, Bermel und Rheinberger gerade 17, als sie am 10. November 1944 »auf Verdacht und zur Abschreckung« in Köln-Ehrenfeld öffentlich gehängt wurden. Mit ihnen starben an diesem Tag neun weitere Mitglieder der »Ehrenfelder Gruppe«. Die 1943 entstandene Gruppe, in der unter anderem ZwangsarbeiterInnen, Jüdeninnen und Juden, Deserteure und eben jugendliche Edelweißpiraten aktiv waren, ist bis heute umstritten. Manchen gilt der Kreis um den entflohenen KZ-Häftling Hans »Bombenhans« Steinbrück immer noch als »kriminelle Bande«. Die Gruppe versteckte bis zu ihrer Zerschlagung geflohene ZwangsarbeiterInnen und Deserteure, stahl zu deren Versorgung Lebensmittelmarken aus Verteilungsstellen und plünderte Versorgungszüge auf Güterbahnhöfen. Die Gruppe verbreitete Flugblätter - und sie verübte auch erfolgreich Sabotageakte sowie Anschläge auf Gestapo- und NS-Funktionäre. So wurde der NSDAP-Ortsgruppenleiter Heinrich Soentgen Ende September 1944 von dem »Ehrenfelder« Roland Lorent erschossen.

Die Kölner Bezirksregierung, die heute Roters unterstellt ist, war als zuständige Behörde für das Bundesentschädigungsgesetz seit den Fünfzigerjahren für die skandalöse Ablehnung von Entschädigungszahlungen an Hinterbliebene verantwortlich, da sie den Opfern die Eigenschaft als politisch Verfolgte absprach. Mehrere Gerichte bestätigten diese Entscheidung und stützten sich dabei auch maßgeblich auf Gestapo-Unterlagen, in denen die Mitglieder der »Ehrenfelder Gruppe« als gewöhnliche Kriminelle dargestellt wurden. »Die Wiedergutmachungsstelle in der Bezirksregierung hat nach dem Krieg leider Aussagen der Gestapo vielfach höher bewertet als die von Verfolgten«, kritisiert Roters heute.

Den Mut allerdings, nicht nur die vier jüngsten, sondern alle Mitglieder der »Ehrenfelder Gruppe« posthum zu ehren, bringt auch der Kölner Regierungspräsident nicht auf - ganz so, als würde es immer noch nicht ausreichen, sich dem Nazi-Unrechtsregime widersetzt zu haben. Eine Begründung, warum er nur die vier Edelweißpiraten in der Gruppe für rehabilitierungswürdig hält, hat Roters bisher nicht gegeben.

Der Artikel ist zuerst erschienen in der taz köln vom 16. Juni, www.taz-koeln.de.