Im Herzen des afrikanischen Films

In Ouagadougou findet alle zwei Jahre das panafrikanische Filmfestival statt. Im Blickpunkt der Veranstaltung stand dieses Jahr die Frage der Professionalisierung: Denn Geld ist noch immer knapp. Von Andreas Bodden

Place des Cinéastes heißt einer der größeren Plätze im Zentrum von Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos, das bis 1984 Obervolta hieß. Übersetzt heißt das soviel wie »Platz der Filmemacher«. In der Mitte steht eine Riesenskulptur, die aus übereinander geschichteten stilisierten Filmrollen besteht. So etwas gibt es noch nicht einmal in Hollywood. Der Platz macht sichtbar, dass wir uns im Mekka des afrikanischen Films befinden, wo seit 1969 alle zwei Jahre das Festival Panafricain du Cinéma de Ouagadougou (FESPACO) stattfindet. Das Festival steht in diesem Jahr unter dem etwas sperrigen Motto Gestaltung und Ziele der Professionalisierung. Dies macht die Unterschiede deutlich, die es zwischen nordamerikanischer und europäischer Filmherstellung auf der einen und der afrikanischen Filmproduktion auf der anderen Seite gibt.

In den meisten Ländern Afrikas - außer Ägypten und in jüngerer Zeit Südafrika - gibt es keine Filmindustrie. Oft gibt es noch nicht einmal Kinos. Der Tschad etwa hat nur ein einziges Kino: im französischen Kulturinstitut in der Hauptstadt N'Djaména. Das kleine Burkina Faso ist da vergleichsweise gut ausgestattet. Das Festival findet in zwei recht neuen Kinos statt, dem Ciné Burkina und dem Ciné Neerwaya. Außerdem gibt es noch zwei Freilichtkinos und einen Saal im französischen Kulturinstitut. Auch in anderen Städten gibt es Kinos. So ist Burkina Faso nicht durch Zufall zum Ort des FESPACO geworden, obwohl es eines der ärmsten Länder der Welt ist.

Aber wie in allen Ländern des subsaharischen Afrikas - mit Ausnahme Südafrikas - werden auch hier pro Jahr höchstens fünf Filme produziert. Die meisten RegisseurInnen leben in Europa, und die meisten DarstellerInnen sind eher LaiendarstellerInnen, da sie vom Film nicht leben können. Davon handelt auch der Dokumentarfilm Al'Leessi. Er schildert das Leben der mittlerweile 55 Jahre alten Schauspielerin Zalika Souley aus dem Niger. Sie war in den Siebzigerjahren der erste weibliche Star des afrikanischen Kinos. Heute lebt sie in einer Zweizimmerwohnung ohne Elektrizität und fließendes Wasser, die Schauspielerei hat noch nicht einmal ihre Altersversorgung gesichert. Welch ein Kontrast zum Luxus der Hollywoodstars!

Doch trotz dieser materiellen Beschränkungen drehen afrikanische RegisseurInnen immer wieder bemerkenswerte Filme. In Europa sind diese jedoch meistens nur einer kleinen Gemeinde von Cinephilen bekannt, und auch in Afrika selber finden sie oft kein großes Publikum. Denn außerhalb des FESPACO werden auch in den Kinos von Ouagadougou Blockbuster aus Hollywood und indische »Bollywood«-Schnulzen gezeigt. Professionalisierung ist also dringend notwendig, damit der afrikanische Film keine Nische für westeuropäische KinoliebhaberInnen bleibt, sondern das große Publikum findet, das er - gerade auch in Afrika selber - verdient.

Zu Recht feierte sich das afrikanische Kino beim diesjährigen FESPACO auch selbst, genauer gesagt sein fünfzigjähriges Bestehen. 1955 realisierte Paulin Soumanou Vieyra mit Afrique sur Seine den ersten subsaharischen Film. Vorher gab es nur den kolonialistischen und/oder ethnografischen Blick der EuropäerInnen auf Afrika, oder der Kontinent diente als exotische Kulisse für Hollywoodproduktionen. Bis in die Sechzigerjahre kontrollierten und zensierten die europäischen Kolonialherren den afrikanischen Film. Anschließend verstaatlichten mehrere afrikanische Länder die Filmdistribution.

Doch in den letzten Jahren wurde auch in diesem Bereich privatisiert, sodass heute der Vertrieb von afrikanischen Filmen meistens in der Hand nichtafrikanischer Firmen ist. So sind afrikanische Filme oft nur auf Festivals oder in Filmreihen von Filmclubs und Programmkinos zu sehen. Einen Verleih finden sie selten. Finanziert werden sie deswegen häufig durch öffentliche Gelder, die im frankophonen Afrika meistens aus Frankreich stammen oder zunehmend auch von der Europäischen Union. Auch das fördert nicht gerade die Unabhängigkeit der afrikanischen CineastInnen.

Eine Ausnahme bildet Südafrika. Beim diesjährigen FESPACO war der ehemalige Apartheidstaat mit vier Filmen im Wettbewerb vertreten. Drum gewann den Hauptpreis, den goldenen Étalon de Yennenga, und auch die anderen drei Filme wurden ausgezeichnet. In Südafrika ist mittlerweile eine kleine Filmindustrie entstanden. Zwar sind die südafrikanischen Produktionen glatter und haben ein höheres Tempo, als man das sonst von afrikanischen Filmen gewöhnt ist. Es gelingt ihnen aber trotzdem sehr eindrucksvoll, Probleme der Bewältigung der historischen Apartheid und der Post-Apartheidsgesellschaft darzustellen. Das lässt hoffen, dass Professionalisierung nicht mit kommerzieller Verflachung einhergehen muss, und dass der afrikanische Film seinen Weg zwischen Nischenkino für europäische Intellektuelle und völliger Kommerzialisierung im Stil von Holly- und »Bollywood« finden wird. Das diesjährige FESPACO bot einige hoffnungsvolle Ansätze.