Genuss oder Statussymbol?

Weinproduktion zwischen gewachsenem Geschmack und Manipulation Von Raphaela Häuser

Aus »Neunzig Prozent Schweiß und zehn Prozent Inspiration« besteht für den Winzer Etienne de Montille die Weinproduktion. »Lass doch diese Sprüche für Journalisten«, stichelt sein Vater Hubert, der das Talent des Winzers für ausschlaggebend hält. In seinem Dokumentarfilm Mondovino sucht Regisseur Jonathan Nossiter nach dem Geheimnis eines guten Weins. Dabei stehen im Mittelpunkt seines Panoramablicks auf die internationale Weinproduktion traditionelle französische WinzerInnen und das weltweit agierende Wein-Imperium Mondavi aus Kalifornien, das in Zusammenarbeit mit dem Weiningenieur Michel Rolland und dem Weinkritiker Robert Parker geschickt den Markt kontrolliert.

Bestimmen Terroir, Klima und Rebsorte das Aroma oder darf nach Geschmack ein Designer-Wein gefertigt werden? Rolland und KomplizInnen manipulieren jedenfalls mit Sauerstoffzugaben Farbe, Gerbstoffe und Reifungsprozess des Weins und montieren so Rebsäfte, die gefällig im Geschmack massentauglich werden und dank Parkers Kritiken Spitzenpreise erzielen.

Nossiter bringt sie alle zum Schwatzen, als hätte ihnen der Wein die Zunge gelöst: So präsentiert er - freilich nicht unparteiisch - Mondavi und PartnerInnen als arrogante Schnösel, die nicht nur die mexikanischen ArbeiterInnen von oben herab betrachten, sondern im Fall des Adelsgeschlechts der Frescobaldi aus Florenz sogar unverhohlen ein Loblied auf den Faschismus und seine »Ordnung« anstimmen. Besser kommen da die kauzigen alten Herren aus Frankreich weg, die gleich einem gallischen Dorf gegen das globale Weingeschäft kämpfen.

Für den Weinanbau gilt: Geringer Ertrag bedeutet höhere Qualität. Dies könnte man auch auf die verwirrende Menge an Fakten beziehen, die die ZuschauerInnen in diesem Film verarbeiten müssen. Die Geschichte um den Kampf der KleinwinzerInnen gegen die Mondavi-Parker-Rolland-Connection hätte auch alleine eine runde Geschichte gegeben, doch in der letzten halben Stunde verlässt der Film den Haupterzählstrang. Und die vielgerühmte wackelige Handkamera nervt dann doch gewaltig.

Wäre Nossiters Film ein Wein, müsste man wohl sagen: Erstaunliche Länge, jedoch fader Abgang. Nicht ganz ausgewogene Assemblage. Die Frucht kämpft wegen der dominanten Sekundäraromen teilweise ums Überleben. Dennoch ein cru classé, wenn auch kein grand cru.

Mondovino. Dokumentarfilm Frankreich 2004. Regie: Jonathan Nossiter. Bereits angelaufen.