DoppelbürgerInnen verzweifelt gesucht

Im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Landtagswahl geriet die doppelte Staatsangehörigkeit erneut in die Schlagzeilen. Die Betroffenen sollen sich nun selbst anzeigen und ihren deutschen Pass verlieren. Von Volker Elste

Für rund 7000 eingebürgerte TürkInnen in Köln hielt die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen in den letzten Wochen eine unangenehme Überraschung bereit. In einem Schreiben ihrer Meldebehörde wurden sie aufgefordert, Auskunft über ihre Staatsbürgerschaft zu geben. Die Ämter befürchten, dass am 22. Mai Menschen mit deutschem und türkischem Pass ihre Stimme abgeben. Dies könnte zu einer Anfechtung der Landtagswahl führen.

Die Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes, die zum 1. Januar 2000 in Kraft traten, schließen die doppelte Staatsbürgerschaft kategorisch aus. AusländerInnen, die sich nach ihrer Einbürgerung erneut einen Pass ihres Herkunftslandes ausstellen lassen, verlieren damit automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit wieder, sofern dies nicht ausdrücklich genehmigt wurde. Für die Landtagswahl bedeutet dies nach offizieller Lesart, dass Menschen, die eigentlich keinen deutschen Ausweis mehr haben dürften, am 22. Mai zur Urne gehen könnten. Dies ist jedoch nach geltendem Recht nicht erlaubt und könnte für die Betroffenen strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Auch für Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ist die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ein Grund, seinen türkischen Amtskollegen Abdülkadir Aksu um eine Liste mit den Namen der Personen zu bitten, die nach 2000 wieder einen türkischen Ausweis erhalten haben. »Es wäre eine ungute Situation, wenn ein Wahlergebnis auf diese Weise ins Zwielicht geriete«, kommentiert der Minister die Lage mit Blick auf den 22. Mai. Insgesamt droht nach Angaben des Bundesinnenministeriums bundesweit rund 50000 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit.

Die Forderung verschiedener Organisationen nach einer Amnestie für die Betroffenen wird von den Behörden bislang zurückgewiesen. So erklärt Ingrid Pelzer, die Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums: »Wer einen neuen Pass in der Hand hält, ist ausgebürgert.« Behalten die Ministerien diese Linie bei, müssten die Betroffenen zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis, später eine Niederlassungserlaubnis und zuletzt erneut die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen.