Die fetten Jahre sind vorbei

Gut gemeint, aber ohne Tiefgang und differenzierte Sicht Von Andreas Bodden

Ein Generationenkonflikt: junge Autonome des beginnenden 21. Jahrhunderts und Ex-Linke aus der Generation der so genannten 68er. In Die fetten Jahre sind vorbei von Regisseur Hans Weingartner brechen zwei junge Linksradikale aus der Berliner Szene, Jan (Daniel Brühl) und Peter (Stipe Erceg), nachts in Nobelvillen ein, stellen dort die Möbel um und hinterlassen Botschaften wie »Die fetten Jahre sind vorbei« oder »Sie haben zuviel Geld«. Sie nennen sich »Die Erziehungsberechtigten« und erhoffen sich von ihren Aktionen einen pädagogischen Effekt auf die Reichen, um so soziale Ungerechtigkeit abzubauen.

Irgendwann kommt es, wie es kommen muss. Ein Villenbesitzer überrascht die »Erziehungsberechtigten«, die inzwischen Zuwachs um Peters Freundin Jule (Julia Jentsch) bekommen haben. Das Trio entführt den Spitzenmanager, bei dem Jule obendrein auch noch Schulden hat, in eine Hütte in den Alpen. Dort stellt sich heraus, dass der »Bonze« in den Sechzigerjahren Mitglied im SDS und mit Rudi Dutschke befreundet war. Die vier diskutieren über Politik, essen und kiffen zusammen und scheinen sich immer besser zu verstehen. Schließlich lassen die KidnapperInnen ihre Geisel frei. Das Ende ist dann zum Glück nicht so harmonisch, denn sonst wäre der Film nur kitschig.

Für das bürgerliche Feuilleton ist Die fetten Jahre sind vorbei ein »politischer Film«. Die Zeit schreibt: »Die neuen Rebellen, sagt Weingartner, seien pragmatischer, mutiger, selbstbewusster. In seinem Film liegt die revolutionäre Hoffnung auf den Anfangzwanzigern, auf der Generation Attac.« Im Film ist davon aber wenig zu spüren. Die politischen Diskussionen bleiben zu sehr an der Oberfläche, etwa auf dem Niveau von Sprüchen wie »Wer mit unter 30 kein Linker ist, hat kein Herz und wer mit über 30 immer noch ein Linker ist, hat keinen Verstand.« Das ist zwar nicht die Position, die der Film vertritt, aber es gelingt ihm auch nicht, sie zu widerlegen. Es bleibt das Klischee, dass die Jungen links und die Alten rechts oder bestenfalls ex-links sind. Dem Regisseur entgeht dabei, dass zurzeit kaum von einer linken Jugendbewegung die Rede sein kann. Es gibt zwar noch eine linke Jugendszene, die aber von ihren AltersgenossInnen nicht für besonders trendy gehalten wird. Andererseits gibt es mehr »Alt-68er«, die immer noch Linke sind, als manche denken. Die sind zwar nicht so prominent und einflussreich wie Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Claudia Roth & Co., aber es gibt sie.

Der Film ist sicher gut gemeint. In einem Interview sagte Hans Weingartner, dass er mit dem Film das Grundgefühl »Lass dich nicht entmutigen!« vermitteln will. Zugleich gibt er zu, dass Naivität für ihn positiv besetzt ist. Damit dürfte das Grundproblem des Films erfasst sein, dem insgesamt mehr Tiefgang und eine differenziertere Sicht gut getan hätten. Die schauspielerischen Leistungen sind allerdings hervorragend, wobei vor allem Julia Jentsch hervor zu heben ist.

Die fetten Jahre sind vorbei. Deutschland/Österreich 2004. Regie: Hans Weingartner. Buch: Hans Weingartner, Katharina Held. DarstellerInnen: Daniel Brühl, Julia Jentsch, Stipe Erceg, Burghart Klaußner u.a. Bereits angelaufen.