No Global - New Global: Was ist eigentlich die »Antiglobalisierungsbewegung«?

Von Andreas Bodden

Was ist eigentlich die »Antiglobalisierungsbewegung«? Was zeichnet die »Bewegung der Bewegungen« aus? Diesen Fragen gehen Massimiliano Andretta, Donatella della Porta, Lorenzo Mosca und Herbert Reiter in ihrem Buch No Global - New Global. Identität und Strategien der Antiglobalisierungsbewegung nach. Ausgangspunkt der Untersuchung ist das Genueser Sozialforum, das 2001 die Proteste gegen den Weltwirtschaftsgipfel in Genua und ein Jahr später das Europäische Sozialforum in Florenz organisierte.

Die AutorInnen betrachten das Verhältnis neuer AkteurInnen wie Attac oder der Sozialen Zentren sowohl zu den Parteien der traditionellen Linken und den Gewerkschaften als auch zu linksradikalen Gruppen. Auch die Frage, wie sich Gruppen der Friedensbewegung und Nichtregierungsorganisationen (NGO) in globalisierungskritische Netzwerke einfügen, ist Gegenstand des Buches.

Die Interaktionen zwischen den verschiedenen AkteurInnen werden sehr akribisch beschrieben. Denn die Zusammenarbeit zwischen eher hierarchisch aufgebauten Parteien und Gewerkschaften, NGO, basisdemokratischen Zusammenschlüssen wie Attac und Initiativen wie den Sozialen Zentren, die einer eher linksradikalen Tradition entstammen, ist alles andere als unproblematisch. Den Sozialen Zentren in Italien ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es zeigt sich dabei, dass es keine Führung gibt. Die Bewegung funktioniert tatsächlich als Netzwerk, wobei sich die mitarbeitenden Gruppen und Zusammenhänge auch verändern und öffnen müssen.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung der sozialen Herkunft der AktivistInnen. Dabei wird klar, dass die »Bewegung für eine Globalisierung von unten« weder wie die alte ArbeiterInnenbewegung im klassischen Sinne proletarisch ist, noch von einer rebellierenden Mittelstandsjugend geprägt wie die APO der Sechziger- oder die Sozialen Bewegungen der Siebziger- und Achtzigerjahre. Vielmehr ist das Erscheinungsbild auch hier vielfältig. Viele der Beteiligten weisen einen hohen Bildungsstand auf, leben aber in prekären Verhältnissen. Bei den DemonstrationsteilnehmerInnen dominiert die jüngere Generation.

Ein spezielles Kapitel ist der Frage gewidmet, wie es zu der Eskalation staatlicher Gewalt bei den Anti-Gipfel-Protesten in Genua 2001 kommen konnte. Dabei entgehen die AutorInnen zwar nicht der Gefahr, »böse« und »gute« DemonstrantInnen zu unterscheiden, bieten aber einen interessanten Einblick in die Strukturen der italienischen Polizeikräfte. Sie stellen die These auf, eine Ursache der Eskalation sei die unterbliebene Modernisierung der italienischen Polizei in den letzten zwanzig Jahren gewesen.

Alles in allem bietet die Studie einen interessanten Blick auf die »Antiglobalisierungsbewegung«. Die AutorInnen verfolgen einen streng sozialwissenschaftlichen Ansatz jenseits von Mystifikationen und geben den LeserInnen reichhaltiges statistisches Material in die Hand.

Massimiliano Andretta, Donatella della Porta, Lorenzo Mosca, Herbert Reiter: No Global - New Global. Identität und Strategien der Antiglobalisierungsbewegung, Campus Verlag, Frankfurt 2003, 19,90 Euro.