Schily boxt sich durch

Innenminister Otto Schily versucht in Afrika Auffanglager für Flüchtlinge durchzusetzen. Ablehnung und Zustimmung aus der EU. Von Andreas Bodden

Im Juli war Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) mit dem Vorschlag vorgeprescht, in Nordafrika Auffanglager für Flüchtlinge zu errichten, die auf dem Weg von Afrika Richtung Europa sind. Was viele für ein typisches Sommerlochthema gehalten haben, spielt auch jetzt im Herbst noch eine Rolle. Bei einem Treffen am 1. Oktober im niederländischen Scheveningen stellte Schily seine Pläne erneut den EU-InnenministerInnen vor. Er stieß dabei auf weitgehende Zustimmung. Konkret wurden nun Marokko, Mauretanien, Algerien, Tunesien und Libyen als mögliche Standorte für solche Einrichtungen genannt.

Die auch »Clearingstellen« genannten Lager sollen dazu dienen, Flüchtlinge zu sieben und die auszusuchen, die eine Chance auf Anerkennung als politische Flüchtlinge haben oder als Arbeitskräfte nach Europa einreisen könnten. Die Maßnahme wird als humanitär verkauft und soll in Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) durchgeführt werden. Dadurch sollen Flüchtlingsdramen im Mittelmeer verhindert werden. An eine Lockerung des EU-Grenzregimes ist nach wie vor nicht gedacht.

Widerspruch kam bisher aus Irland und Schweden. Beide Regierungen erklärten, keine »Festung Europa« zu wollen. Auch die EU-Kommission meldete Bedenken an. Die Regierungen der betroffenen nordafrikanischen Länder haben bisher keine Stellungnahme abgegeben. Innenpolitisch opponieren die Grünen gegen Schilys Vorschlag. Sie wollen im Bundestag ihre Zustimmung verweigern.

Schily beharrt aber auf seinen Plänen, die in der EU am stärksten vom italienischen Innenminister Giuseppe Pisanu unterstützt werden. Die Regierungen von Frankreich und Spanien lehnen die Pläne Schilys bisher ab. Der spanische Innenminister José Antonio Alonso riet zu »absoluter Vorsicht bei einer Initiative, die so viele problematische Aspekte hat«. Von Menschenrechtsgruppen wird der Vorstoß nach wie vor scharf kritisiert. Schily ist mittlerweile von dem Begriff »Lager« abgerückt und spricht lieber von »Zentren«.

Juristisch ist immer noch ungeklärt, wie die Asylanträge überhaupt in Afrika gestellt werden können, da sie eigentlich auf dem Boden des gewünschten Asyllands eingereicht werden müssten. Auch die völkerrechtliche Frage, ob die EU solche Einrichtungen überhaupt auf dem Boden von souveränen Staaten, die nicht zur EU gehören, betreiben darf, harrt noch ihrer Antwort. Eine weitere rechtliche Frage ist, was diese Einrichtungen bezwecken sollen, da schon jetzt in Afrika bei den Botschaften und Konsulaten der EU-Länder Anträge auf Visa gestellt werden können.

Die Regierung Österreichs hat Schilys Vorschläge dahingehend ergänzt, dass man solche Lager doch auch in Osteuropa, etwa in der Ukraine, einrichten könne. Ziel dieser Abwehrmaßnahmen sind unter anderem tschetschenische Flüchtlinge. Die ukrainische Regierung verwahrte sich entschieden gegen diesen Vorschlag. Sie sei nicht bereit, Flüchtlinge nach ihrer Herkunft zu unterscheiden.