West-östliche Geisterspiele

Bildergeschichten XI:Wie sich BRD und DDR einmal nicht auf eine gemeinsame Fußballmannschaft einigen konnten. Von Volker Elste

Offiziell hat die BRD laut den Statistiken des Deutschen Fußball Bundes (DFB/BRD) nur ein Länderspiel gegen die DDR ausgetragen. Stattgefunden hat es bei der Weltmeisterschaft 1974; um den 1:0 Sieg der DDR durch das Tor von Jürgen Sparwasser ranken sich zahlreiche Mythen. Legendär sind auch zwei weitere Begegnungen zwischen den beiden deutschen Staaten. Doch erinnern sich an sie nur FußballhistorikerInnen. Denn beide tauchen in den DFB-Statistiken nicht auf, da 1959 zwar der Weltfußballverband (FIFA) den Deutschen Fußball Verband (DFV/DDR) anerkannt hatte, jedoch nicht der DFB.

Das Bild, das Sie auf dieser Seite sehen, liefert den Hintergrund für die Groteske aus dem Jahr 1959. Es zeigt den Einmarsch der ›gesamtdeutschen‹ Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Rom 1960. Eine solche Mannschaft war 1955 Voraussetzung für die provisorische Anerkennung des Nationalen Olympischen Komitees der DDR durch das Internationale Olympische Komitee gewesen. Somit konnte auch nur eine deutsche Mannschaft am Fußballturnier der Spiele teilnehmen. Und hier begann das Problem: DFB und DFV konnten sich nicht auf eine Mannschaft mit Spielern aus beiden Staaten einigen. Um überhaupt an der Qualifikationsrunde teilnehmen zu können, mussten daher zunächst die BRD und die DDR einen Sieger ermitteln.

Der DFV rechnete sich gute Chancen aus, auch wenn er sieben Jahre nach seiner Anerkennung durch die FIFA noch keine Erfolge vorweisen konnte. Die BRD hingegen war 1954 Weltmeister geworden und hatte 1958 immerhin das WM-Halbfinale erreicht. Allerdings konnten Spieler wie Helmut Haller, Uwe Seeler und Helmut Rahn nicht antreten, da sie als »Vertragsspieler« Geld verdienten und somit nicht an Olympischen Spielen teilnehmen durften. Die 0:2-Niederlage gegen die Oberligaspieler aus dem Westen im Hinspiel in Ost-Berlin war daher eine herbe Enttäuschung für den DFV. Die Begegnung war ein so genanntes Geisterspiel. Beide Verbände hatten sich geeinigt, dass ZuschauerInnen in beiden Partien nicht zugelassen sein sollten. Ins Stadion durften ausschließlich Spieler, Schiedsrichter, Funktionäre beider Verbände und ausgewählte JournalistInnen.

Dem merkwürdigen Szenario aus der ersten Partie wurde beim Rückspiel die Krone aufgesetzt. Im Vorfeld hieß es, das Spiel fände im »Raum Groß-Duisburg« statt. Letztendlich wurde in Düsseldorf gegen das Leder getreten. Es ertönten keine Nationalhymnen und auch das eigentlich übliche Händeschütteln vor dem Anpfiff blieb aus. Ein ungewöhnlicher Anblick bot sich jedoch den handverlesenen JournalistInnen und den anwesenden Funktionären, da die DDR-Auswahl in ihren üblichen Trikots antrat. Sie konnten so das Hammer und Zirkel-Emblem bestaunen, das in der BRD unter Strafe stand. Auch die ZuschauerInnen vor den Bildschirmen kamen in den Genuss dieses ungewöhnlichen Anblicks, denn beide Spiele wurden live übertragen.

Das Spielgeschehen ist schnell erzählt. Die Mannschaft aus der »Sowjetischen Besatzungszone«, damals die offizielle West-Bezeichnung für die DDR, ging durch ein Elfmetertor von Günter Schröter in Führung. Am Ende siegte die DFB-Auswahl jedoch mit 2:1 und konnte in die Qualifikationsrunden für die Olympischen Spiele einziehen. Nach Rom fahren durften die westdeutschen Kicker dann trotzdem nicht, da sie an Polen scheiterten.