Uruguay verkauft nicht

Die Bevölkerung Uruguays stimmte gegen den Verkauf des staatlichen Energieunternehmens ANCAP. Deutliche Schlappe für die Regierung. Von Alexandra Wix

Mit einer deutlichen Mehrheit von 62,2 Prozent stimmte die Bevölkerung Uruguays am 7. Dezember 2003 in einer Volksabstimmung gegen die Teilprivatisierung eines weiteren Staatsbetriebs, der Nationalen Verwaltung für Kraftstoffe, Alkohol und Portlandzement (ANCAP). Das Votum wurde von Teilen der Mitte-Links-Oppositionspartei Frente Amplio, Gewerkschaften sowie linken Basisgruppen angestoßen. ANCAP ist eines der letzten Unternehmen in Staatsbesitz: Unter anderem wurden bereits die Fluggesellschaft PLUNA, der Flughafen Carrasco und das Straßennetz im Landesinneren an private TeilhaberInnen veräußert.

Der Verkauf des Staatsunternehmens war von der konservativen Regierung unter Präsident Jorge Batlle angestoßen worden. Sie versprach sinkende Benzin- und Strompreise: in Uruguay, das sich in der heftigsten ökonomischen Krise seiner Geschichte befindet, ein verlockendes Argument. Weiterhin sei die ANCAP ohne private Beteiligung nicht konkurrenzfähig, da die Raffinerie nicht wirtschaftlich genug arbeite.

Dem stimmen auch die GegnerInnen der Privatisierung zu. Sie fordern allerdings statt des Verkaufs eine Reform des Staatsbetriebes, klare Wirtschaftlichkeitsprüfungen und ein qualifiziertes Management. Denn oftmals wurden die DirektorInnen eher nach Parteibuch als nach Qualifikation ausgesucht. Als Hauptargument für ihre Ablehnung führen die GegnerInnen die Erfahrungen in den Nachbarländern Argentinien und Brasilien an. Dort hatten sich die Energiepreise nach der Privatisierung der Raffinerien verdoppelt. Weiterhin äußerten sie die Befürchtung, der Verkauf des Unternehmens würde die Sicherheit der staatlichen Renten gefährden. Denn der Gewinn des ANCAP finanziert einen Großteil der allgemeinen Rentenkasse sowie Ausgaben des Gesundheits- und Bildungswesens.

Auch der Internationale Währungsfond hat seine Hände im Spiel. Ein im Jahre 2002 bewilligter Kredit von 743 Millionen US-Dollar war an die »Empfehlung« geknüpft, das staatliche Monopol für Kraftstoffe aufzugeben. Aber die für den Verkauf des Staatsunternehmens erhaltenen Devisen würden nur kurzfristig den Staatshaushalt Uruguays entlasten. Zu hoch sind die Auslandsschulden, zum Großteil Altlasten aus der Zeit der Militärdiktatur, die beglichen werden müssen.

In der Volksabstimmung stimmten lediglich 35,4 Prozent der Privatisierung zu. In 16 von 19 Provinzen des Landes wurde mehrheitlich gegen den Verkauf gestimmt. Nach der Abstimmung fanden überall in Uruguay ausgelassene Siegesfeiern der Opposition statt. Durch die Hauptstraßen Montevideos zog sich ein endloser Autokorso. Ganze Familien saßen in ihren Autos, lehnten sich aus den Fenstern, hupten ununterbrochen und schwenkten Fahnen, vornehmlich die des Oppositionsbündnisses Frente Amplio, aber auch von Gewerkschafts- und Basisgruppen.

VertreterInnen der Regierungskoalition hielten sich mit Kommentaren zum Ausgang der Abstimmung zurück. Ex-Präsident und ANCAP-Vorsitzender Jorge Sanguinetti appellierte an die Opposition, mit konkreten Vorschlägen eine Alternative für das Unternehmen aufzuzeigen. Präsident Batlle schlug vor, Details des Verkaufs zu ändern, um die Zustimmung der Bevölkerung zu erhalten.

Es ist unklar, ob der Sieg der Opposition als Indikator für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr gewertet werden kann. RegierungsvertreterInnen streiten dies ab. MeinungsforscherInnen stellen allerdings einen Wandel in der Bevölkerung fest und werten die Volksabstimmung als klaren Triumph des Präsidentschaftskandidaten der Opposition, Tabaré Vásquez, der die Kampagne angeführt hatte.

Alexandra Wix lebt zurzeit in Montevideo.