Westend oder die Ohne-mich-AG

Ein kleines Juwel des zeitgenössischen deutschen Films Von Andreas Bodden

»Willkommen bei der Ohne-mich-AG« ist das Faltblatt zum Film Westend der beiden jungen Kölner Filmemacher Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler überschrieben, der seit Anfang Oktober 2003 im Kino zu sehen ist. Der Film handelt von den beiden Langzeitarbeitslosen Mike und Alfred und ihrem konsequenten Weg von der Arbeitslosigkeit über die Ich-AG zur Ohne-mich-AG. In Zeiten von Hartz, Rürup, Herzog, Agenda 2010 & Co ist der Film angenehm gegen den Strich gebürstet, eine gelungene Satire auf das Klischee der »jung-dynamisch-erfolgreich«-UnternehmerInnen.

Neben Mike und Alfred gibt es noch einen dritten Loser: Rasto. Er wirkt aber nicht wie ein Verlierer, seine Geschäfte sind eben nur nicht sonderlich erfolgreich. Rasto handelt mit allem, was ihm in die Finger kommt: Legal, illegal, scheißegal. Erfolg hat er keinen, aber es gelingt ihm, die Aura des ständig beschäftigten, erfolgreichen und von Terminen gestressten Jungunternehmers zu verbreiten. Er ist der ideale Hartzianer, ein »Profi der Nation« im Vortäuschen von Erfolg, ein Held der kapitalistischen prekären Arbeit, ein Hansdampf in allen Sackgassen.

In Mike und Alfred glaubt er, die Richtigen für seine neueste Geschäftsidee gefunden zu haben: Eine Imbissbude im Westend am Rande der Stadt, im kaum bebauten Niemandsland, wo sich vielleicht alle paar Stunden mal jemand hin verirrt. Das Unternehmen entwickelt sich - mit Hilfe eines geschickt platzierten Umleitungsschildes - zunächst überraschend erfolgreich. Doch dann kommt es, wie es kommen muss und schließlich stehen Mike und Alfred wieder an ihrem Stammplatz am Kiosk, jeder mit einer Flasche Küppers Kölsch, zur überzeugten Ohne-mich-AG bekehrt.

Der Film enthält einige sehr schöne Szenen. Mike und Alfred bewerben sich vor ihrem Engagement bei Rasto bei einem »aufstrebenden Medienunternehmer«. Als sie nach der Bezahlung fragen, versichert dieser ihnen, dass das Praktikum für sie kostenlos sei. »Jede Arbeit ist besser als keine«, selbst wenn man nicht davon leben kann. Besser kann man den Unsinn solcher Sprüche nicht darstellen. So taumeln denn Mike, Alfred und Rasto durch ihre kleine kapitalistische Wunderwelt am Rande der großen Stadt und beschließen letztlich, nicht mehr mitzumachen.

Die karge Schwarz-Weiß-Ästhetik, zwei arbeitslose Proleten als Protagonisten, da drängt sich der Vergleich mit dem finnischen Filmemacher Aki Kaurismäki auf. Ebenso erinnern die Vorliebe Mischkowskis und Steinkühlers für Autos aus den Siebzigerjahren und der treffend dargestellte schlechte Geschmack der proletarischen Helden an den finnischen Meister des melancholischen Humors. Auch an den frühen Jim Jarmusch oder Kevin Smith könnte gedacht werden. Aber man soll die Vergleiche nicht überstrapazieren. Die Vorbilder sind zwar erkennbar, aber der Film hat seine eigene Sprache, seinen eigenen Humor, seine eigene Qualität. Gelegentlich ist er ein wenig hölzern und vorhersehbar, aber das mindert das Vergnügen nur geringfügig. So ist der Film trotz einiger Schwächen ein kleines Juwel des zeitgenössischen deutschen Kinos. Vor allem macht er Lust auf mehr: Auf weitere Filme des hoffnungsvollen Duos Mischkowski/Steinkühler, in denen die Schwächen des Erstlings überwunden und seine Stärken weiter entwickelt werden.

Westend, BRD 2001, Regie: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler, DarstellerInnen: Markus Mischkowski, Kai Maria Steinkühler, Jens Claussen, Katharina Schaltz, Ralf Richter, Katy Karrenbauer u.a., Kamera: Klaus Peter Schmidt.