Kalk wird clean

Seit Anfang Oktober geht die Stadt in Kalk gegen Junkies vor. KritikerInnen fürchten, dass finanzschwache MieterInnen folgen werden. Von Torben Strausdat

Der Platz an der Kalker Post ist vielen Menschen als Treffpunkt von DrogenkonsumentInnen bekannt. Seit Anfang Oktober gehen Polizei, Bundesgrenzschutz (BGS), Stadt Köln, KVB und die Deutsche Bahn AG gemeinsam gegen die Junkies in Kalk vor und vertreiben sie mit unterschiedlichen Mitteln. So wollen KVB und Bahn Hausverbote für ihre Haltestellen im Stadtteil aussprechen. Am Bahnhof Trimbornstraße patrouillieren zunehmend BGS und private Sicherheitsdienste, um die Vertreibung der Drogenkranken durchzusetzen. Demnächst soll eine Videoüberwachung des Bahnhofs dazu kommen. Die KVB setzt vermehrt ihren eigenen Wachdienst mit HundeführerInnen ein.

Die Polizei hat inzwischen damit begonnen, für ein Gebiet von zirka fünfzig Straßen um die Kalker Post herum Platzverweise gegen bekannte Junkies auszusprechen. Diese gelten für 24 Stunden, können aber wiederholt werden. Erst im Juli wurde durch das nordrhein-westfälische Polizeigesetz geändert, sodass nun auch weiter reichende Aufenthaltsverbote ausgesprochen werden können; die maximale räumliche und zeitliche Begrenzung liegt bei einem ganzen Gemeindegebiet und drei Monaten. Anlässlich eines Treffens unterschiedlicher Organisationen im Juli hatte die Polizei Köln bereits angekündigt, im Rahmen der Maßnahmen gegen die Drogenszene auch von diesem neuen Instrument Gebrauch zu machen.

Kritik an der Vertreibung übt vor allem der Junkie-Bund, der unter anderem mit StreetworkerInnen die Junkies betreut und gebrauchte Spritzen gegen sterile austauscht. Nach über zwei Jahren war es der Organisation endlich gelungen, eine neue Anlaufstelle mitten in Kalk zu finden. Die nun ausgesprochenen Platzverweise machen es der Zielgruppe aber unmöglich, diese in der Sperrzone liegende Einrichtung zu besuchen. Die Polizei hat sogar Platzverweise gegen StreetworkerInnen ausgesprochen, da diese die Vertreibungsmaßnahmen konterkarieren würden. Begleitet und unterstützt wird die Vertreibungspolitik durch eine Kalker BürgerInneninitiative, die sich vor allem gegen die Anlaufstelle des Junkie-Bundes richtet.

Derweilen zeigt die Vertreibung Wirkung. Junkies sind kaum noch in Kalk anzutreffen. Das Problem der Drogensucht ist damit aber nicht aus der Welt geschafft. Die Erfahrung zeigt, dass DrogenkonsumentInnen nur an andere Orte wechseln. Doch bis sich diese etabliert haben und auch von den StreetworkerInnen wieder betreut werden, werden wieder gebrauchte Spritzen verwendet werden und die Zahl der Infektionen zum Beispiel mit Hepatitis und HIV ansteigen.

Auffällig ist, dass die Vertreibung einhergeht mit der Umsetzung des Köln-Arcaden genannten baulichen Großprojektes genau gegenüber der Kalker Post. Hier wurde am 22. September der Grundstein gelegt für ein riesiges Einkaufszentrum mit Parkhäusern - ein Projekt, das 130 Millionen Euro kosten soll. Zusammen mit einer in den letzten Jahren nach Kalk geflossenen finanziellen Sonderunterstützung durch das Land ist es Teil einer so genannten Gentrification, einer Aufwertung des Stadtteils, der als erstes die Junkies zum Opfer fallen. Inzwischen hat sich ein Kalker Stadtteilplenum gegründet, das unter anderem befürchtet, mit diesen Maßnahmen würden die Mieten massiv ansteigen und eine zweite Vertreibungswelle in Kalk folgen - diesmal über die erhöhten Lebenskosten. Erste Anzeichen hierfür sind Anordnungen der Stadt Köln an HauseigentümerInnen, die Fassaden ihrer Gebäude zu renovieren.