Polizei lässt Nazis laufen

Die Kölner Polizei genehmigte einen Nazi-Aufmarsch ausgerechnet am 9. November Von Dirk Eckert

Hunderte von KölnerInnen haben am Sonntagabend in Ehrenfeld der von den Nazis ermordeten EdelweißpiratInnen gedacht. In Anwesenheit von Regierungspräsident Jürgen Roters wurde am Ehrenfelder Bahndamm die Gedenktafel für die WiderstandskämpferInnen neu enthüllt.

Ebenfalls am Sonntagabend marschierten in der Leyendeckerstraße, nur wenige hundert Meter von der Gedenkfeier entfernt, 20 bis 25 Neonazis auf. Die Polizei hatte die Demonstration der neonazistischen Kameradschaft Köln am Jahrestag der Reichspogromnacht mit zahlreichen Auflagen genehmigt. So durfte die Kundgebung nicht wie von den Nazis geplant direkt am Ort der Gedenkfeier für die EdelweißpiratInnen stattfinden. Ein Verbot wollte die Polizei aber nicht erlassen. »Triftige Gründe für ein Verbot haben nicht vorgelegen«, begründete Polizeisprecher Wolfgang Beus das Vorgehen.

Josef Wirges, SPD-Bezirksvorsteher von Ehrenfeld, zeigt sich dennoch zufrieden, da die Nazis in der Ehrenfelder Bevölkerung nur auf Ablehnung gestoßen seien. »Die haben keinen Blumentopf gewinnen können, und das ist auch gut so.« Wirges lobt ausdrücklich die Polizei, ebenso Liedermacher Rolly Brings. Der Dichter des EdelweißpiratInnenliedes fürchtet, ein Verbot hätte nichts genützt, da die Nazis vor Gericht wahrscheinlich, wie schon oft geschehen, Recht bekommen hätten. »Es wäre das richtige Signal gewesen, wenn die Kölner Polizei auch diesen Aufmarsch, der die Ehrung der Edelweißpiraten stören sollte, verboten hätte«, sagt dagegen Kölns grüne Bürgermeisterin Angela Spizig. Der Rechtsstaat müsse »so viele Hürden wie möglich« gegen Nazi-Aufmärsche errichten. Geradezu entsetzt über die Polizei zeigte sich der Jugendclub Courage. »Ohne den Schutz der Polizei hätte der Nazi-Aufmarsch doch gar nicht stattfinden können«, kommentiert ein Mitarbeiter.

Jörg Fischer, als Aussteiger aus der Nazi-Szene bekannt geworden, sieht im Verhalten der Polizei geradezu eine »Ermutigung« für die Neonazis. Er fürchtet, dass Nazis jetzt auch an anderen Orten an Gedenktagen auftreten wollen. Fischer warnt davor, Nazi-Kundgebungen nicht ernst zu nehmen. »Ein Problem löst man nicht, indem man es ignoriert«, sagt er. »Wenn das Haus brennt, ignoriert man das ja auch nicht.« Auch die PDS kritisiert, dass die Polizei mit dem Verzicht auf ein Verbot zu schnell klein beigegeben habe. Ratsherr Jörg Detjen wirft dem Kölner Polizeipräsidenten Klaus Steffenhagen »Einfallslosigkeit« vor. Steffenhagens Vorgänger, der heutige Regierungspräsident Jürgen Roters, habe »wenigstens noch versucht, Verbote zu erlassen«, klagt Detjen. »Es gibt in der Rechtsprechung sehr wohl die Möglichkeit von Verboten an Gedenktagen wie diesem.«

Tatsächlich hatte es das Bundesverfassungsgericht am 26. Januar 2001 abgelehnt, eine rechtsextreme Demonstration in Berlin zu genehmigen. Die Berliner Versammlungsbehörde hatte befunden, dass rechtsextreme Aufzüge am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung und eine Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der BürgerInnen darstellten. Die Karlsruher RichterInnen gaben der Behörde Recht. Nach Paragraph 15 des Versammlungsgesetzes kann eine Versammlung verboten werden, wenn die »öffentliche Sicherheit oder Ordnung (…) unmittelbar« gefährdet ist.

Die Kölner Polizei ist diesen Weg jedoch nicht gegangen. Polizeisprecher Beus beharrt darauf, dass seine Behörde die Demonstration habe genehmigen müssen - »auch wenn uns das selber nicht gefällt«. Und fügt hinzu: »Aus fadenscheinigen Gründen können wir nicht verbieten.«