Promiboxen gestern und heute

Bildergeschichten Teil VII:Wie Grosz und Heartfield den Fight-Club erfanden - und was Brecht darüber dachte Von Jörg Huwer

Bereits in den Zwanzigerjahren ergaben sich Prominente und Intellektuelle der Anziehungskraft des Faustkampfes, und versuchten die scheinbar unmögliche Vereinbarung von Geist und roher Gewalt zu realisieren - das nebenstehende Bild aus dem Jahr 1924 zeigt den Zeichner George Grosz und den Foto-Künstler John Heartfield kurz vor ihrer physischen Konfrontation im Rahmen eines eher spielerischen Sparrings.

Der Mythos des geistig Tätigen, der sich nicht zu schade ist, schwitzend und schuftend im Boxring seiner eigenen Körperlichkeit zu begegnen, hat sich aber in der aktuellen Renaissance des Boxens gewandelt: Vom nostalgischen Hauch des einstigen Proletensports, bei dem der soziale Statuts nach dem Betreten der Arena zugunsten einer archaischen Gewaltorgie eingeebnet wird, ist nur noch wenig spürbar angesichts des heute differenzierten und inflationären Angebots von »Schnupperkursen für die gehobene Berufsklasse«, die in das »Manager-Boxen« einführen. Dafür präsentiert sich die wissenschaftliche Fundierung des Boxens heute natürlich elaborierter als noch zu Zeiten von Grosz und Heartfield - exemplarisch sei hier das Konzept des »psychoanalytisch orientierten BoxCoachings« nach Dr. Kai Hoffmann angeführt, der den TeilnehmerInnen seines Workshops für Führungskräfte »Persönlichkeitserlebnisse neuer Grenzerfahrungen« und Möglichkeit zu Siegesschreien wie »Geschafft, ich hab‘s geschafft!« bietet.

Allerdings sind solche Versuche, die Faszination für den Boxsport zu rationalisieren, keine Erscheinung des spätkapitalistischen Zeitalters - auch die BoxfreundInnen der Zwanzigerjahre sahen sich damit konfrontiert. Beispielsweise setzte sich Bert Brecht mit Forderungen wie »Dichter sollen boxen« auseinander. Unter dieser Überschrift hatte der Schriftsteller Frank Thieß 1926 die Trägheit der Intellektuellen kritisiert und die Sporttreibenden gelobt, die »das Geheimnis der geistigen Hygiene erkannt« haben.

Im selben Jahr schrieb Brecht, dass er die »These, Körperkultur sei die Voraussetzung geistigen Schaffens«, nicht für sehr glücklich halte. »Es gibt wirklich, allen Turnlehrern zum Trotz, eine beachtliche Anzahl von Geistesprodukten, die von kränklichen oder zumindest körperlich stark verwahrlosten Leuten hervorgebracht wurden, von betrüblich anzuschauenden menschlichen Wracks…«, so Brecht weiter. Von Grosz wisse er, dass dieser nur aus Spaß boxe - und es auch dann tun werde, wenn es ihn körperlich ruinieren würde. Brechts Punchingball hatte nach eigener Aussage nur bisweilen »einige launige Stöße« zu ertragen. Das Klischee vom boxenden Intellektuellen wirkt in der Rückschau damit leicht angekratzt, doch tröstet die von Brecht geäußerte - in seinem Falle zwar um etwa dreißig Jahre verfehlte - Hoffnung, seinen »körperlichen Verfall auf mindestens noch sechzig Jahre ausdehnen« zu können.