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Der Berliner Senat will an den Hochschulen 260 Millionen Euro einsparen. Die Universitäten drohen mit Zulassungsstopps. Von Patrick Hagen

Seit Jahren sind die Berliner Hochschulen von immer neuen Kürzungswellen betroffen. Nun drohen die drei großen Universitäten damit, die Zahl von StudienanfängerInnen auf ein Minimum zu reduzieren. Während die Technische und die Freie Universität (TU und FU) flächendeckende Zulassungsbeschränkungen einführen wollen, hat die Humboldt-Universität (HU) gar beschlossen, zum kommenden Wintersemester überhaupt keine ErstsemesterInnen aufzunehmen.

Damit reagieren die Universitäten auf Sparpläne von Finanzsenator Thilo Sarrazin. Der SPD-Politiker will ab 2006 jährlich 260 Millionen Euro im Hochschulbereich einsparen. Diese Summe entspricht etwa zwanzig Prozent des jährlichen Landeszuschusses von 1,3 Milliarden Euro. Sarrazin hatte erklärt, Berlin habe doppelt so viele Universitätskapazitäten wie bundesweit üblich und könne auch mit der Hälfte leben. Die Opposition aus Grünen und CDU kritisierte die Sparpläne. Auch Teile der rot-roten Berliner Koalition sind verärgert über die Äußerungen Sarrazins. So betonte PDS-Wissenschaftssenator Thomas Flierl, es gebe noch keine Beschlüsse des Senats. Gleichzeitig bestätigte er jedoch, dass auch im Hochschulbereich mit Kürzungen zu rechnen sei, allein die Höhe sei noch nicht ausgemacht.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am 23. April gaben die Präsidenten der drei Universitäten bekannt, wie sie auf die Kürzungen reagieren wollen. Die Humboldt Universität hat beschlossen, ab dem Wintersemester 2003 keine neuen StudentInnen mehr aufzunehmen. Die Präsidenten von TU und FU drohen mit ähnlich drastischen Maßnahmen: Sie wollen einen Numerus Clausus für alle Fächer einführen. Frei werdende Stellen sollen an allen drei Universitäten nicht neu besetzt und an der TU in den kommenden Jahren zwei Drittel der Professuren gestrichen werden. Die FU will den Botanischen Garten in Berlin-Dahlem aufgeben.

»Wir werden gegen die Wand gefahren, ohne dass wir uns dagegen wehren können«, beschrieb HU-Präsident Jürgen Mlynek vor den anwesenden JournalistInnen die Auswirkungen der Senatspolitik. Die Einsparungen hätten die Höhe des Jahreshaushalts einer ganzen Universität. Nach Ansicht von TU-Präsident Kurt Kutzler würden sie faktisch die Schließung einer Universität bedeuten.

Die StudentInnenvertretungen aller drei Berliner Universitäten haben sich einhellig gegen die Kürzungen ausgesprochen. Nach diversen Vollversammlungen protestierten am 21. Mai rund dreitausend StudentInnen gegen die Sparpläne. Im Anschluss besetzten etwa dreißig StudentInnen das Büro des Finanzsenators. Am 16. Mai hatte es bereits eine gemeinsame Demonstration von WissenschaftlerInnen, MitarbeiterInnen und StudentInnen gegeben, zu der die Universitätsleitungen aufgerufen hatten.

Ansonsten halten die Berliner ASten aber Abstand zu den Drohgebärden der Universitätspräsidenten und wollen sich nicht vereinnahmen lassen. So erteilte Jacek Darlinski vom ReferentInnenrat der HU der Universitätsleitung in der taz eine Absage: »Die haben gedacht, wir springen mit auf, aber so nicht!« Der ReferentInnenrat, wie sich der AStA der HU nennt, bezeichnete den Beschluss der HU in einer Presseerklärung als »reinen Populismus«. Auch Anja Schillhanek vom TU-AStA weist gegenüber der taz die Überlegungen zu einer generellen Zulassungsbeschränkung zurück: »Das ist vielmehr eine hilflose Reaktion der Universitätsleitung und eine lachhafte obendrein.« Mit einem Gruppenveto haben die studentischen VertreterInnen im Akademischen Senat den Beschluss eines flächendeckenden Numerus Clausus vorerst verhindert, sodass die Entscheidung auf die nächste Sitzung vertagt ist.

Rechtlich steht zumindest ein generelle Aufnahmestopp für ErstsemesterInnen auf schwachen Füßen. Er verstößt nach Ansicht zahlreicher JuristInnen gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl. »Die Universitäten müssen StudentInnen aufnehmen«, urteilte etwa der Verwaltungsrechtler Frank Lasnicker gegenüber der Welt.