Wem gehört die Welt

Wohnen, ohne Miete zu zahlen - und alternativ dazu. Auch in Köln gibt es Bauwagenplatze und (ex)besetzte Häuser. Von Raphaela Häuser

»Wir wollen euch gar nicht haben«, hatte der Stadtkämmerer Peter Michael Soénius (CDU) gesagt. Seit Ende 1999 ist der Mietvertrag für den Bauwagenplatz in der Krefelder Straße ›0‹ ausgelaufen, die BewohnerInnen auf dem Gelände seitdem von der Stadt nur noch geduldet. Da für September 2003 die endgültige Räumung beschlossen ist, steht jetzt ein weiteres Mal die Suche nach einem neuen Ort für die Wagenkolonie an.

Die Stadt Köln würde die BewohnerInnen des Bauwagenplatzes mit ihren Holzwagen am liebsten weitab des Stadtkerns sehen und bietet ein Gelände in Niehl an - unter der dortigen Bahntrasse. Alternative Lebensformen stören das Heile-Welt-Bild der Verwaltung.

Das ist nicht der erste Umzug des Bauwagenplatzes. 1990 wurde aus dem Anspruch heraus, dass jedem und jeder Wohnraum zur Verfügung gestellt werden muss, ein Gelände in Raderthal besetzt. Nach der brutalen Räumung 1994 begann eine sechsmonatige Odyssee durch Köln bis man auf der leerstehenden Fläche an der Krefelder Straße eine neue Bleibe fand, die durch einen befristeten Mietvertrag mit der Stadt abgesichert wurde.

Im klassischen Sinne will man auf dem Bauwagenplatz keine Miete zahlen. Dennoch entrichten die BewohnerInnen eine Nutzungsgebühr, die den Verbrauch an Strom und Wasser deckt. Dass die Hälfte des monatlichen Geldes für Miete ausgegeben wird und vor lauter Arbeiten keine Zeit für Privates bleibt, ist für sie keine Selbstverständlichkeit. Der finanzielle Aspekt ist für die StudentInnen, Arbeitslosen, SchülerInnen, SozialhilfeempfängerInnen und ArbeitnehmerInnen auf dem Bauwagenplatz ein Grund, hier zu wohnen. Wichtig ist aber auch die Gemeinschaft, die Möglichkeit alles frei gestalten zu können und unter freiem Himmel zu wohnen.

Die Nachteile dieser Wohnform liegen auf der Hand: Im Winter kann es in den Holzwagen trotz Isolierung empfindlich kalt werden, eingefrorene Wasserschläuche sind keine Seltenheit, geheizt wird mit Kohle oder Holz und alle Reparaturen und Installationen werden selber vorgenommen. Das sind aber gleichzeitig auch die Vorteile: »Wenn du auf dieser Seite ein Fenster haben willst, nimmst du dir die Stichsäge und machst es einfach«, erklärt ein Bewohner. In einer Mietwohnung wäre das nicht möglich. Spätestens wenn man im Sommer anstelle des Vermieters selber auf dem eigenen Hof in der Sonne liegt oder mit dem Wagen einfach so für zwei Tage zur Erholung an den Rhein fahren kann, begreift man, welche Freiheiten man sich ohne großen Kostenaufwand in einer ›normalen‹ Etagenwohnung nicht leisten kann.

Das Wohnprojekt in der Ludolf-Camphausen-Straße 36 - kurz LC genannt -, ein Haus, das vor der Besetzung 1984 abgerissen werden sollte, hat im Gegensatz zum Bauwagenplatz einen halbwegs gesicherten Rechtsstatus. In acht Wohnungen leben hier dreißig HausbesetzerInnen in Nachbarschaft zu drei Familien, die schon vor der Besetzung dort wohnten. Eine rechtliche Grundlage für die Besetzung von Häusern oder freistehenden Flächen gibt es natürlich nicht, dennoch gelang es Anfang der Neunzigerjahre BesetzerInnen mehrfach, ihre Forderungen politisch durchzusetzen. Für Patrick, Student an der Philosophischen Fakultät, ist seine Wohnform dann auch mehr ein Relikt aus vergangenen Zeiten, in denen Hausbesetzungen noch bestimmte Sympathien von SPD und Grünen entgegengebracht wurden.

Bereits 1985 haben die BesetzerInnen als Verein einen Mietvertrag mit der Stadt abgeschlossen und zahlen pro Person zirka 160 Euro. Patrick hat ein großes Zimmer unter dem Dach, zur Wohnung gehört eine Dachterrasse. Zwar ist die Bausubstanz nicht die beste, die Lärmbelästigung durch die nahe Bahntrasse hoch und zum Heizen müssen Kohlen geschleppt werden - auf den Treppenabsätzen stehen Ascheeimer für die Kohleöfen. All diese Nachteile könnte man aber ebenso gut im Mietshaus gegenüber haben.

So unterscheidet sich Patricks Wohngemeinschaft nicht großartig von anderen. Anders ist nur die Motivation, diese Wohnform zu wählen, und die zur LC gehörigen öffentlichen Räume: Der Infoladen, in dem regelmäßig thematische Veranstaltungen abgehalten werden, und das Café, wo zweimal die Woche warmes Essen und Getränke ausgegeben werden. Die BewohnerInnen, meist in der linken Szene verortet, sind wie auf dem Bauwagenplatz in der Regel zwischen zwanzig und vierzig und setzen sich aus StudentInnen, Berufstätigen und Arbeitslosen zusammen. Wenn MieterInnen ausziehen, rücken meist Leute aus dem Bekanntenkreis nach; wird eine komplette Wohngemeinschaft frei, entscheidet die Hausgemeinschaft über die Nachfolge.

Die LC ist mehr ein Projekt als ein normales Wohnhaus und das Mietverhältnis lockerer als auf dem freien Wohnungsmarkt. Dennoch droht die Hausgemeinschaft wie alle MieterInnen, die ihre Rechte kennen, der Stadt auch schon mal mit Mietminderung, wenn Reparaturen nicht erledigt werden. Den größten Ärger mit der Stadt Köln in den letzten Jahren gab es, als man vergaß, für die Fassadenverschönerung per Wandbild eine Genehmigung einzuholen.