Überziehungsgebühren

NRW-Landesregierung zieht alte Pläne zur Einführung von Studiengebühren zurück und stellt neue vor. Von Jörg Huwer

In seiner ersten Regierungserklärung gab Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) Ende November im Landtag die Rücknahme der Studiengebühren bekannt: »Was das Thema ›Studiengebühren‹ betrifft, ist festzustellen, dass sich ein Darlehensmodell zur Vermeidung unbilliger Härten mit den Kreditinstituten nicht wie von uns gewünscht verwirklichen lässt.« Unter diesen Umständen wäre der Erfolg einer bereits von nordrhein-westfälischen ASten vorbereiteten Klage abzusehen gewesen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Landtagsfraktionen von SPD und Grünen wurde der Verzicht auf »die Einführung von undifferenzierten Langzeitgebühren« nochmals bestätigt, zugleich aber die Einrichtung eines Gebührenmodells auf Basis von Studienkonten angekündigt.

Die Pläne sollen in zwei Stufen umgesetzt werden: Ab dem Sommersemester 2004 wird allen StudentInnen ein Studienkonto zugewiesen, das durch Regelabbuchungen nach maximal 15 Semestern aufgebraucht sein würde. Danach wäre eine Gebühr von 650 Euro pro Semester fällig. Dieses Verfahren soll bis zum Sommer 2007 angewendet werden. Dann würden, so die Hoffnung der NRW-Wissenschaftsministerin Hannelore Kraft (SPD), die administrativen Voraussetzungen für die Erhebung individualisierter Studiengebühren gegeben sein.

Laut Kraft würden mit dem Kontenmodell nicht nur Anreize für mehr Wettbewerb, lebenslanges Lernen und schnelleres Studieren geschaffen. Auch solle die Finanzierungsgerechtigkeit gewahrt bleiben, da das Vorhaben mit der bis Ende letzten Jahres diskutierten Wiedereinführung der Vermögenssteuer als »Solidarbeitrag der Reichen für die Chancengleichheit« verbunden sei.

Die Pläne der Landesregierung wurden von studentischen VertreterInnen als »Mogelpackung« zurückgewiesen. Klemens Himpele, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren und Bildungspolitikreferent im AStA der Universität Köln, kündigte an: »Die Studienkonten beinhalten im Kern ebenfalls Studiengebühren, und deshalb werden die Proteste jetzt weitergehen, um auch die Studienkonten zu kippen.«

Auch aus der Opposition im Düsseldorfer Landtag kam Kritik am Studienkontenmodell, vor allem am erforderlichen technischen Aufwand. Mit ihrem Projekt schaffe die Landesregierung lediglich ein »bürokratisches Monstrum«, meinte der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Manfred Kuhmichel. Stattdessen präsentierte der Fraktionsvorsitzende Jürgen Rüttgers inzwischen ein eigenes Modell, das den Universitäten die Erhebung von Studiengebühren bis zu 250 Euro pro Semester erlaubt. Die Beträge sollen aber während der Studienzeit gestundet und erst nach dem Abschluss in Raten zurückgezahlt werden müssen.

Dieser Vorschlag ähnelt weiteren Initiativen zu »nachlaufenden« Studiengebühren, etwa dem vom Präsidenten der TU München, Wolfgang Herrmann, Anfang Dezember in Aussicht gestellten Modell eines kreditfinanzierten Studiums. Bedingung dafür wäre die Abschaffung des im Hochschulrahmengesetz (HRG) festgeschriebenen gebührenfreien Erststudiums. Das CSU-regierte Bayern hat Ende des letzten Jahres bereits eine Klage beim Bundesverfassungsgericht gegen das Verbot von Studiengebühren im HRG eingereicht.