Protest lohnt sich

StudentInnen gehen gegen Studiengebührenpläne der Landesregierung vor. Warum die Proteste gerechtfertigt sind. Von Volker Elste

StudentInnen putzen vor Ampeln Autoscheiben. Sie geben ihr letztes Hemd für die Bildung und bilden Menschenketten auf Rheinbrücken. Der Protest an den nordrhein-westfälischen Hochschulen manifestiert sich in den unterschiedlichsten Formen. Alle Proteste haben ein gemeinsames Ziel: Die von der nordrhein-westfälischen Regierung geplante Einführung von Studiengebühren zu verhindern.

Die Gebühren sollen in den nächsten drei Jahren dazu dienen, Haushaltslöcher zu stopfen. 1,4 Milliarden Euro fehlen allein für das Jahr 2003. Erst danach sollen die Einnahmen direkt an die Hochschulen gehen. Der Hauptgrund für das nordrhein-westfälische Haushaltsloch ist die Steuerreform der Bundesregierung. Großkonzerne konnten somit für bereits versteuerte Profite einen neuen Steuersatz in Anspruch nehmen. Dieser liegt deutlich niedriger als der alte. 250 Millionen Euro Körperschaftssteuer musste das Land Nordrhein-Westfalen allein für 2001 an den Bayer-Konzern zurückzahlen (siehe philtrat nr. 47).

Nach Einschätzung zahlreicher ExpertInnen können sich die Rückforderungen der Konzerne für den Bereich der Körperschaftssteuer in den nächsten Jahren auf bis zu 37 Milliarden Euro belaufen. Einspringen sollen nach Ansicht zahlreicher Industrieller die SteuerzahlerInnen, denen eine höhere »finanzielle Beteiligung« an den Gemeindeausgaben zugemutet werden könnte. Für den Freiburger Volkswirtschaftler Gerd Gröinger wäre dies »eine der gewaltigsten Umverteilungen von unten nach oben, die die Republik je gesehen hat.«

Abkassiert werden soll jedoch auch bei StudentInnen. Sei es durch Verwaltungs- oder Einschreibegebühren ab dem ersten Semester oder durch Gebühren für so genannte LangzeitstudentInnen. Auch wenn diese Gebühren den Hochschulen direkt zugute kämen, würde dies nicht automatisch eine Verbesserung der Situation an den Hochschulen bedeuten. Die Privatisierung von Bildung könnte die Folge sein, indem die Landesregierung die öffentlichen Zuschüsse für die Hochschulen reduziert: Frei nach dem Motto »warum muss der Staat für etwas bezahlen, was auch von den StudentInnen bezahlt werden kann.« Die öffentlichen Gelder sollten vielmehr für die bessere Ausstattung der Hochschulen mit »Büchern, Räumen und Computern« eingesetzt werden, wie dies Norbert Finzsch, Professor für Angloamerikanische Geschichte an der Universität Köln, im Interview mit der philtrat fordert (Seiten 6 und 7).

Studiengebühren, und zwar in jeglicher Form, sind Teil eines gesamtgesellschaftlichen Sozialabbaus, der von der Arbeitslosenhilfe über die Sozialversicherung bis zum Gesundheitswesen reicht. Zudem verstärken Studiengebühren die soziale Selektion. Diese beginnt in Deutschland, wie zuletzt die PISA-Studie festgestellt hat, zwar bereits wesentlich früher. Studiengebühren würden sie jedoch auch an den Hochschulen vorantreiben (mehr zu diesem Thema auf Seite 5).

Am Ende der Studiengebührendebatte könnte die Zwangsexmatrikulation stehen, wie sie momentan für Hamburg vorgesehen ist. Dort sollen StudentInnen nach Überschreitung der doppelten Regelstudienzeit nicht mehr zu Prüfungen zugelassen werden (siehe Seite 4). Dass es genügend Gründe für die Überschreitung der Regelstudienzeit gibt, zum Beispiel die Finanzierung des Studiums, wird in diesem Zusammenhang vollkommen vernachlässigt.