»Dann gehen die guten Spieler halt«

Fußballfans haben keine Angst vor der Kirch-Pleite. Denn gerade die Ausrichtung der Bundesligen auf das Fernsehen habe den Fans geschadet. Ein Interview mit Gerd Debowski. Von Volker Elste

Gerd Dembowski ist Vorstandsmitglied des Bündnisses Aktiver FußballFans (BAFF). Die zurzeit zirka 7000 Mitglieder des BAFF befassen sich unter anderem mit Rassismus in Fussballstadien. Für die philtrat sprach Volker Elste mit ihm über den Fanprotest gegen Premiere und die Auswirkungen der Kirch-Pleite auf den Fußball.

Seit mehreren Jahren besitzt Premiere die Erstverwertungsrechte für die Übertragung der Bundesligaspiele. Das Bündnis Aktiver FußballFans (BAFF) ruft auf seiner Internetseite zum Boykott von Premiere auf. Warum?

Die Version von Fußball, die Leo Kirch etabliert, entspricht nicht der der Stadionfans. Kirch hat in den letzten acht bis zehn Jahren den Fußball sehr stark verändert. Vieles von dem, was Fußballfans im Stadion Spaß macht, wurde mehr und mehr eingeschränkt oder ganz abgeschafft. Zudem wurde eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen. Wenn Fußball nur noch oder vermehrt bei Premiere läuft, haben Leute, die gerne Fußball im Fernsehen sehen, nicht mehr die Möglichkeit dazu. Die Situation ist allerdings nicht mit England zu vergleichen. Dort wird Fußball nur von SkyB übertragen. Alle sind gezwungen, Pay-TV zu kaufen. Der Auslöser des Boykottaufrufes war, dass Leo Kirch den öffentlich-rechtlichen Sendern verbieten wollte, in ihren Nachrichtensendungen zeitnah über Fußballspiele zu berichten. Zudem sollte ran nach hinten verschoben werden, um Premiere attraktiver zu gestalten.

Inwieweit treffen sich da Eure Vorstellungen mit den Interessen der Initiative pro 15.30, die sich ja hauptsächlich gegen die Zersplitterung der Spieltage zur Erhöhung der Einschaltquoten richtet?

Die Interessen treffen sich zu hundert Prozent. BAFF hat schon Mitte der Neunzigerjahre angefangen, Unterschriftenaktionen gegen die Übertragung der Spitzenspiele der Zweiten Bundesliga am Montagabend zu starten. Wir haben mit BAFF von Anfang an bei pro 15.30 mitgemacht, nur sind wir dort nie namentlich als BAFF in Erscheinung getreten.

Die Abschaffung der Bundesligaspiele am Freitag ist jedoch nur ein scheinbarer Erfolg, da es die die Sonntags- und Montagsspiele ja immer noch gibt.

Und diese werden von den Fans in erster Linie kritisiert.

Ja, klar. Kirch und den Leuten vom Deutschen Sportfernsehen, die am Montag die Spitzenspiele der Zweiten Liga übertragen, ist auch aufgegangen, dass der Fußballmarkt übersättigt war. Plötzlich wurden dann die Freitagsspiele in der Bundesliga abgeschafft, um die es gar nicht ging. Sie wollten die Übertragungen auf Samstag und Sonntag konzentrieren. Das ist aber nicht im Sinne der Fans, weil die Sonntags- und Montagsspiele das Hauptproblem sind.

Wirken sich die Kirch-Pleite und die wahrscheinliche Pleite von Premiere auf die Einnahmequelle der Vereine durch Fernsehausstrahlungen aus? Die Gelder haben ja maßgeblich den Ausbau der Infrastruktur und den Einkauf von Spielern beeinflusst.

Man muss sich überlegen, ob wir Fans wirklich noch die großen Stars wollen, die immer nur zu denselben großen Vereinen gehen. Die Vereine ab dem achten Platz können sich Stars gar nicht mehr leisten. Die Kluft zwischen reichen und etwas ärmeren Clubs wird immer größer. Der Premiere-Boykott sollte auch aufzeigen, dass mit den hohen Übertragungsgeldern die teuren Spieler auch immer bei den besseren Clubs landen. Diese bauen ihre Stadien aus - oft fanfeindlich. Mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland befürchten wir, dass unsere Interessen beispielsweise im Bereich der Stehplätze nicht beachtet werden. Fußball wird fürs Fernsehen salongerecht gestaltet. Fans dürfen im Hintergrund als Folklore mit dem Fähnchen wedeln, aber das Fähnchen darf auch nicht zu groß sein. Parallel zum Anstieg der Fernsehgelder ist auch die Repression in den Stadien gestiegen. Den Fans werden immer neue Restriktionen auferlegt. Am 11. Mai protestierten in Berlin zweitausend Fußballfans gegen diese Maßnahmen.

Du hast in einem Interview in der taz das neue Stadion in Schalke angesprochen, das in den Medien als Superarena mit toller Stimmung bezeichnet wird. Du hast die Stimmung als künstlich erzeugt bezeichnet.

Die Gesänge im Fußballstadion werden durch die schlechte Akustik so miteinander vermischt, dass man nur noch ein lautes Geräusch hört. Die Schalke-Arena ist fast komplett geschlossen, so dass der Schall nicht entweichen kann. Durch das Echo werden die Geräusche verstärkt. Dementsprechend ist es dort unglaublich laut. Durch die Lautstärke wird eine gute Stimmung suggeriert, aber das hat nichts mit differenzierten Gesängen zu tun. Das hin und her zwischen den einzelnen Gesängen geht dabei völlig verloren.

Viele Vereine finanzieren sich bis zu dreißig Prozent aus Fernseheinnahmen. Glaubst du, dass die Existenz einiger Vereine durch die Kirchpleite bedroht ist?

Die Bundesligavereine müssen sich überlegen, ob sie auf diesem Niveau weiterfahren wollen. Wenn das Niveau so bleiben soll, wenn die Lizenzauflagen so bleiben, dann bekommen viele Vereine vor allem in der Zweiten Liga große Probleme. Man muss überlegen, ob man die Ansprüche nicht etwas zurückschraubt. Andererseits kann man natürlich auch sagen, dass ohne hohe Gehälter die Spieler ins Ausland gehen. Aber dann gehen sie halt. 1954 bei der Weltmeisterschaft hat Deutschland Spieler ins Rennen geschickt, die keiner kannte, und die haben Fußball gespielt. Welche Spieler gehen denn ins Ausland? Wo spielt denn die deutsche Nationalmannschaft zur Zeit? Welche deutschen oder ausländischen Stars will man denn groß wegkaufen? In Italien und Spanien existieren ganz andere Maßstäbe. Und wenn man sagt, wir müssten uns an Real Madrid oder an den großen italienischen Vereinen orientieren, dann frage ich mich sogar als Nicht-Unternehmer, ob diese maßlos überschuldeten Vereine das Vorbild sein können.

Ich finde es eigentlich gut, dass ein Denkzettel erteilt wird, weil darüber der Fußball etwas gesunden kann. Ich glaube aber nicht, dass die Vereine dadurch wieder den Fans annähern, wie es oft beschrieben wird. Es wird sich jemand finden, entweder ein Murdoch oder ein Berlusconi, der wieder Geld in Fußball investiert. Der Marktwert des Fußballs ist ja nach wie vor sehr hoch.

Die Deutsche Fußballliga (DFL), die zentral für die Vermarktungsrechte zuständig ist, hat sich erst sehr spät zur Kirch-Pleite geäußert. Als die Fernsehgelder dann auszubleiben drohten, sollten die Übertragungen unterbunden werden. Warum ist sie dann in diesen Aktionismus verfallen?

Die Androhung der Liga, die Bildschirme schwarz zu lassen, hängt mit dem einsetzenden Poker um die Übertragungsrechte zusammen. Die DFL hatte darauf spekuliert, dass die Fans sich wehren und protestieren. Dadurch wäre in der Öffentlichkeit der Marktwert der Liga bestätigt worden. Ich glaube aber nicht, dass darauf ein großer Fanprotest gefolgt wäre. BAFF jedenfalls hätte nichts unternommen, da wir zunächst die Stadionbesucher vertreten.