HRG: Ein Verbot, das alles erlaubt

Das neue Hochschulrahmengesetz verspricht Gebührenfreiheit und eine bundesweite Einführung der studentischen Selbstverwaltung. Doch es bleiben Hintertüren, kritisieren die StudentInnenverbände. Von Markus Struben

Am 25. April hat der Bundestag mit den Stimmen von SPD und Grünen die sechste Hochschulrahmengesetznovelle beschlossen. CDU/CSU und FDP stimmten dagegen, die PDS enthielt sich der Stimme. Das Hochschulrahmengesetz (HRG) war 1976 eingeführt worden, um Rahmenbedingungen für die Hochschulpolitik der Bundesländer zu schaffen. Mit der sechsten Novelle wurden jetzt einige im rot-grünen Koalitionsvertrag angekündigte Änderungen zu den Bereichen Bachelor-/Masterstudiengänge, Studiengebühren und Verfasste StudentInnenschaft eingeführt.

Teilweise wurden dabei studentische Forderungen aufgegriffen. So kämpft das Bündnis für Politik- und Meinungsfreiheit (PM-Bündnis) seit Anfang 2000 für die bundesweite Verankerung der Verfassten StudentInnenschaft und die Absicherung des so genannten Allgemeinpolitischen Mandats für studentische Vertretungen. Nachdem Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre konservative Hochschulgruppen wie der unionsnahe Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und Burschenschafter die Mehrheit in fast allen StudentInnenparlamenten und ASten an linke Gruppen verloren hatten, wurde 1973 vom Bundesverfassungsgericht und anschließend von der Bundesregierung eine künstliche Trennung zwischen hochschulpolitischem und allgemeinpolitischem Mandat konstruiert. Politische Äußerungen von ASten und Fachschaften werden seitdem mit hohen Geldstrafen bis zu 250000 Euro beantwortet.

In Bayern und Baden-Württemberg wurde die aufgrund zahlreicher Verstöße gegen das neue Verbot bald zahlungsunfähig gewordene Verfasste StudentInnenschaft kurze Zeit später abgeschafft. Mit der sechsten HRG-Novelle sind Bayern und Baden-Württemberg jetzt gezwungen, die Verfasste StudentInnenschaft wieder einzuführen. Die Form der Umsetzung sei allerdings nicht verbindlich geregelt und liege damit in der Hand der Landesregierungen, kritisiert das PM-Bündnis. Auch die durchaus erzielten Verbesserungen im Hinblick auf die politische Betätigung der ASten ließen weiterhin Spielraum für die juristische Drangsalierung von StudentInnenschaften, so das Bündnis weiter.

Auf ein geteiltes Echo stoßen die Regelungen zum Thema Studiengebühren. Im HRG heißt es jetzt, das Studium bleibe bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss gebührenfrei. CDU/CSU, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft sprechen von Bevormundung, Zumutung und Gängelung der Länder und Hochschulen, während Juso-Hochschulgruppen und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Regelung als »Schritt in die richtige Richtung« ansehen.

Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) hingegen formuliert seine Kritik schärfer: »Nun hat es rot-grün doch noch geschafft, die Erhebung von Studiengebühren für das Erststudium gesetzlich abzusichern«, empört sich der ABS-Geschäftsführer Christian Schneijderberg.

Bei näherer Betrachtung des Gesetzes wird deutlich, was vom im Wahljahr 1998 versprochenen und im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Verbot jeglicher Studiengebühren übrig geblieben ist: Verwaltungs-, Einschreibe- und Rückmeldegebühren, wie es sie in Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen gibt, gelten nicht als Studiengebühren. Beim Zweitstudium darf auch zugelangt werden, womit auch das bayrische und das sächsische Gebührenmodell (300 bis 500 Euro pro Zweitstudiumssemester) bestätigt wird.

Eine Definition des Zweitstudiums fehlt im HRG. Klar ist, dass dazu auch bestimmte Master-Studiengänge zählen, die nicht als konsekutiv, also auf das Bachelor-Studium aufbauend, gelten. Und auch ein Erststudium soll - trotz desaströser Personal- und Sachmittelausstattung der Hochschulen und unzureichender Studienfinanzierung durch BAföG und Stipendien - nicht länger als etwa für die Durchschnittsstudienzeit kostenfrei bleiben. In Baden-Württemberg wird dieser Weg mit 511 Euro Strafgebühren ab dem vierten Semester nach der Regelstudienzeit bereits seit 1997 beschritten. Niedersachsen wird im Sommersemester 2003 ein vergleichbares Modell einführen. Alle existierenden Studiengebührenmodelle in der BRD werden jetzt durch die Novelle gesetzlich abgesichert.

Das ruft die StudiengebührenbefürworterInnen wieder auf den Plan. In einer gemeinsamen Erklärung der WirtschaftsministerInnen der Länder und der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft vom 3. Mai wird die flächendeckende Einführung von Studiengebühren gefordert. Die nordrhein-westfälische Landesregierung ist auf diesen Zug aufgesprungen: Ab dem Sommersemester 2003 möchte sie das Potpourri aller in anderen Bundesländern praktizierten Gebührenmodelle - wenn auch mit teilweise anderen Bezeichnungen und Rechengrundlagen - in NRW übernehmen und mit drastisch erhöhten Gebühren fürs Seniorenstudium abrunden.

Markus Struben ist Mitglied im Koordinierungsausschuss des ABS. Weiterhin arbeitet er an der Universität Köln im Arbeitsausschuss der Uniweiten Fachschaftenkonferenz mit.