Erwachen in der Dämmerung

Kritik unerwünscht: Der Kriegsgegner Bernhard Nolz wurde erst vom Schuldienst suspendiert, jetzt droht auch seinem Friedensprojekt das Aus. Ein Film über den Lehrer darf nicht ausgestrahlt werden. Von Dirk Eckert

Pazifismus ist kein Zuckerschlecken - davon kann der Siegener Lehrer Bernhard Nolz ein Lied singen. Nachdem er seine Schüler in einer Rede zum 11. September zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen und die Außenpolitik der USA kritisiert hatte, wurde er erst vom Dienst suspendiert und später versetzt. Das grüne NRW-Umweltministerium hat außerdem die Auszahlung von Geldern für das Projekt Friedliche Konfliktbearbeitung in Siegen (FRIEKON) des Zentrums für Friedenskultur (ZfK) gestoppt. Nolz ist Geschäftsführer des Zentrums.

Nach der Rede gingen sowohl die SchülerInnenvertretung als auch der Schulrektor auf Distanz zu Nolz. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, konnte aber nicht feststellen, dass Nolz »die Straftaten in den Vereinigten Staaten« gebilligt hätte.

Trotzdem wurde Nolz vom Schuldienst suspendiert, später ins 50 km entfernte Kierspe versetzt. Heute spricht der 57-Jährige von »Schikane«. Schließlich hätte er auch an eine andere Siegener Schule geschickt werden können. Nun sei er »zwangsweise abgeordnet mit dem Ziel der Versetzung« - gegen den Willen des Bezirkspersonalrates. Jetzt müssen das Wissenschaftsministerium und der Hauptpersonalrat entscheiden. Wann das passiert, ist ungewiss.

Bis es soweit ist, pendelt Nolz jeden Tag 40 Minuten hin und zurück zu seinem neuen Arbeitsplatz. Die Zeit fehle ihm natürlich für seine ehrenamtliche Arbeit im ZfK, sagt er. An seiner neuen Schule sei er aber freundlich aufgenommen worden. Der dortige Rektor habe ihn gleich mit der Organisation eines »Projekttages Frieden« beauftragt.

Das Friedenszentrum ist den Konservativen des Siegerlandes schon lange ein Dorn im Auge. Offenbar wittern sie jetzt die Chance, ihm ein für alle Mal den Garaus zu machen. Heftig polemisiert der Abgeordnete Klein gegen die FriedensfreundInnen. Er halte es für »kaum verantwortbar, Finanzmittel für ‘Konfliktbewältigung' ausgerechnet einer Organisation zu überlassen, die offensichtlich selbst ein erhebliches Konfliktpotenzial darstellt«. Paul Breuer, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Siegen, sieht den Lehrer Nolz als »fünftes Rad am Wagen des internationalen Terrorismus«.

ZfK-Leiter Wolfgang Popp spricht inzwischen von einer »Rufmord-Kampagne der CDU«. Das Zentrum sei »in seiner Weiterexistenz stark bedroht«. Das ZfK hatte das FRIEKON-Projekt in Erwartung staatlicher Zuschüsse vorfinanziert. Nachdem Düsseldorf rund 50000 Euro bewilligt hatte, wurden MitarbeiterInnen eingestellt und Räume angemietet. Ende 2001 lief das Projekt planmäßig aus. Doch bis jetzt hat das Ministerium erst 40 Prozent der Gelder überwiesen und verweigert weitere Zahlungen mit Verweis auf Nolz. Diese »Behördenwillkür« bringe das ZfK, das Ausgaben für das FRIEKON-Projekt »im guten Glauben mit Bankkrediten vorfinanziert« habe, »in bedrängende Zahlungsschwierigkeiten«, so Popp.

Geht es nach dem CDU-Landtagsabgeordneten Volkmar Klein, sollte die Landesregierung sogar die bereits überwiesenen Zuschüsse zurückfordern. In einer kleinen Anfrage im Landtag erkundigte er sich, ob dies rechtlich möglich sei. Nolz habe »einen Trauermarsch von rund 3000 Schülerinnen und Schülern zum Gedenken der Terroropfer in New York und Washington skandalös missbraucht, für alte, antiamerikanische Stereotypen«, wettert Klein. Bisher hat die Landesregierung noch nicht geantwortet, sich vielmehr eine Fristverlängerung erbeten. Erst wenn der ZfK-Bericht vorliege, so Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) im Landtag, könne Kleins »berechtigte Frage« beantwortet werden. Nolz hat indes die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Umweltministerium doch noch die Gesamtfinanzierung des Projektes wie zugesagt übernimmt. Er verstehe nicht, warum wegen ihm Gelder vorenthalten werden: »Ich bin schließlich nicht das ZfK.«

Der Fall Nolz hat noch ein weiteres Nachspiel: Der WDR hat für seine »story«-Reihe offenbar einen Film über den Lehrer in Auftrag gegeben - doch dieser wurde bislang nicht ausgestrahlt. Dagegen hat der Verein Aachener Friedenspreis beim WDR-Rundfunkrat eine Programmbeschwerde eingelegt. Demnach wurde der Film bereits mehrfach aus dem Programm genommen. Die AachenerInnen befürchten, dass Siegen an der Heimatfront, so der Titel, wegen seines Inhalts nicht gezeigt werden soll.

Ihren Informationen nach ist in die inhaltliche Gestaltung der Dokumentation »immer wieder eingegriffen« worden, »um kritische Aussagen über Auslandseinsätze deutscher Soldaten, über deutsche Rüstungsinteressen und über die Verfolgung deutscher Pazifisten zu verändern«. Auch in Kriegszeiten müsse kritische Berichterstattung möglich sein, mahnt Gerhard Diefenbach, Vorsitzender des Aachener-Friedenspreis-Vereins.

Erster Sendetermin sollte der 10. Dezember sein. Doch auf Drängen der Redaktion musste Filmautor Hans-Rüdiger Minow noch einiges ändern. Ende Januar rief Minow schließlich den Rundfunkrat des WDR an. Dabei warf er dem Sender Zensur, Nötigung eines abhängigen Vertragspartners und schwerwiegende Eingriffe in das Statut des WDR vor. Daraufhin soll der Film technisch und redaktionell abgenommen worden sein, so dass er jetzt sendefertig vorliegt und vom WDR bezahlt ist. Doch auch der nächste geplante Sendetermin, der 4. Februar, platzte. Gert Monheim von der »story«-Redaktion erklärte gegenüber der taz, der Film sei zurzeit »aus rechtlichen Gründen nicht sendefähig«. Ob der Film überhaupt noch laufen werde, wollte Monheim nicht sagen.

So könnte sich die Befürchtung des Vereins Aachener Friedenspreis bewahrheiten, wonach die mehrmonatige Verzögerung dazu führen werde, »dass der Film endgültig abgesetzt wird«. In diesem Fall würde er wohl auf ewig in den Kellern des WDR liegen bleiben. Auf die Anschuldigungen aus Aachen reagierte der WDR bisher zurückhaltend. Immerhin: Die Vorwürfe würden ernst genommen und geprüft, ließ der Sender verlauten. Die Programmbeschwerde des Aachener Friedenspreises liege jetzt dem Intendanten vor. Dieser werde auch dazu Stellung nehmen, erklärte »story«-Redakteur Monheim in einem Fax.