Unkontrollierte Plakate

Von Patrick Hagen

Plakate können mehr sein als bloße Zeit- und Ortsangaben für die nächste Demonstration. Mit ein Grund dafür, dass sich in dem neuerschienenen Buch Vorwärts bis zum nieder mit, einer Sammlung von Plakaten »unkontrollierter Bewegungen« aus den letzten dreißig Jahren auch ein »kleiner Leitfaden zur Gestaltung und Betrachtung von Plakaten« findet.

Anhand der abgedruckten Plakate und der beigelegten CD-ROM mit weiteren 8300 Plakaten kann sich jedeR selbst davon überzeugen, dass einigen Plakaten das Beachten eines solchen Leitfadens nicht geschadet hätte. Die GrafikerInnen Rainer M. und Sandy k. kritisieren die vermeintliche Trennung von Inhalt und Form bei der Plakatgestaltung. Dies führe dazu, dass die meisten Plakate »in der Regel nur als ein Zusatz zur Aktion und nicht als politisches Handeln begriffen« werden.

Das Plakatbuch ist die Fortsetzung des 1999 erschienenen Hoch die Kampf dem, in dem hauptsächlich Plakate der autonomen Bewegung versammelt waren. Wie im Vorgängerband werden die thematisch sortierten Bilder von begleitenden Beiträgen verschiedener AutorInnen reflektiert. In vorwärts finden nun auch Plakate von im ersten Band vernachlässigten Bewegungen ihren Platz, wie die Lesben- und Schwulenbewegung und die K-Gruppen. Außerdem ist der Zeitrahmen weiter gefasst: Das früheste dokumentierte Plakat stammt aus den Sechzigerjahren - lange vor Entstehung der autonomen Bewegung, die jüngsten Plakate wenden sich gegen den Krieg in Afghanistan.

Zudem findet sich in vorwärts ein Kapitel zu Antisemitismus in linken Bewegungen. Elfriede Müller von der jour-fixe-initiative Berlin thematisiert in ihrem Beitrag …, dass Auschwitz nicht noch einmal sei Plakate, die aus ihrer Sicht »antisemitisch sind, oder antisemitische Assoziationen wecken«. Neben Plakaten, die Zionismus mit Faschismus gleichsetzen, finden sich vor allem Plakate, die antisemitische Stereotype reproduzieren: Kapitalisten mit Zigarre und Zylinder ziehen im Hintergrund die Fäden. Ausgangspunkt dafür ist laut Müller die »spontane Assoziation von Juden mit Kapitalismus, Kosmopolitismus und Abstraktheit«. Das Kapitalismusverständnis der traditionellen, wie auch der Neuen Linken und der autonomen Bewegungen habe »Anschlussflächen zu antisemitischen Denkfiguren« enthalten.

Manche der Schwerpunktthemen lassen den Eindruck entstehen, dass die Auswahl stark von dem Ziel alle auffindbaren Plakate zu dokumentieren, dominiert wurde. Angesichts der häufig kritisierten Geschichtslosigkeit der autonomen Bewegung ein ehrenwertes Ziel. Wer aber nicht ein möglichst umfassendes Plakatarchiv zu Hause haben muss, dem/der reicht einer der beiden Bände. Die sehenswerteren Exemplare finden sich mit Sicherheit im Vorgängerband Hoch die Kampf dem, der hiermit noch einmal wärmstens empfohlen sei.

HKS 13 (Hg.): vorwärts bis zum nieder mit - 30 Jahre Plakate unkontrollierter Bewegungen, Assoziation A, Berlin 2001, 25,46 Euro.