Unamerikanische Umtriebe?

Amerika- und kriegskritische Stimmen unter Verdacht Von Volker Elste

»Unamerikanische Umtriebe« hieß in den USA die Zauberformel der Fünfzigerjahre, der so genannten McCarthy-Zeit, wenn es um die Verfolgung von angeblich prokommunistischen Aussagen im eigenen Land ging. Die Begründung war einfach: Von der Sowjetunion gesteuerte kommunistische Agitationen gefährdeten die Existenz der USA. Diese wird seit dem 11. September wieder als bedroht angesehen.

Es drohe ein neuer Überlebenskampf der westlichen beziehungsweise der US-amerikanischen »Zivilisation«. »We believe that the West will fight for its own survival«, heißt es in einer im November 2001 veröffentlichten Studie mit dem programmatischen Titel Defending Civilization: How our universities are failing America and what can be done about it. In ihr sind unkommentiert USA-kritische Aussagen an Hochschulen in Folge der Attentate auf das World Trade Center und das Pentagon zusammengestellt.

Die Bandbreite reicht von Reaktionen gegen den Afghanistan-Krieg bis hin zu Sympathiebekundungen für die Attentäter, wie zum Beispiel die Aussage eines Geschichtsprofessors, »anyone who can blow up the Pentagon gets my vote«. Auch die US-Außenpolitik der letzten Jahrzehnte wird kritisch gesehen. Sie sei die Wiederaufnahme der imperialistischen Politik des 19. Jahrhunderts, ist unter anderem zu lesen. Gesammelt wurden nicht nur Statements von ProfessorInnen, sondern auch studentische Stimmen, wie beispielsweise, dass die Ungerechtigkeiten, die zum Krieg gegen Afghanistan führten, ignoriert werden müssten, um ihn gerecht zu nennen.

Initiiert wurde die Untersuchung vom American Council of Trustees and Alumni (ACTA), dem einflussreiche Persönlichkeiten angehören, wie beispielsweise Lynne Cheney, die Frau des US-amerikanischen Vizepräsidenten, oder Senator Joseph Liebermann, ehemaliger demokratischer Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten. ACTA setzt sich nach eigenen Angaben für die Erhaltung eines hohen akademischen Standards und eine »philosophically-based, open-minded« Bildung zu erschwinglichen Preisen ein. Nicht zuletzt vertrete die Organisation das Prinzip, »the free exchange of ideas on campus« zu schützen.

KritikerInnen der Studie, wie zum Beispiel die American Association of University Professors, werfen ACTA vor, mit der Untersuchung die Meinungsfreiheit an den Hochschulen anzugreifen. Akademische Freiheit sei nicht gleichbedeutend mit der Freiheit vor Kritik, begründet hingegen ACTA die Veröffentlichung. Die in der Untersuchung vorgebrachte Kritik diene der Erklärung, warum an Universitäten im Gegensatz zum Rest der Gesellschaft keine einheitliche Meinung über die Verurteilung der Anschläge und die Unterstützung der US-amerikanischen Reaktion bestehe. »Expressions of pervasive moral relativism are … an apparent symptom of an educational system that has increasingly suggested that Western civilization is the primary source of the world`s ills«, lautet die Begründung. Einen Lösungsvorschlag sieht die Studie in der Beschäftigung mit der »westlichen Zivilisation« und der US-amerikanischen Geschichte. Es sei niemals dringlicher gewesen, die freiheitlich-demokratischen Prinzipien an die nächste Generation weiterzugeben, heißt es weiter. Die universitäre Beschäftigung mit dem Islam erwecke hingegen den Eindruck, dass die USA Schuld an den Anschlägen vom 11. September hätten, wird Cheney zitiert.