»Public Education is not for sale!«

Zahlreiche Streiks und Proteste an deutschen Universitäten Von Patrick Hagen

An zahlreichen deutschen Hochschulen sind die StudentInnen dem Aufruf zu einem EU-weiten SchülerInnen- und StudentInnenstreik in der Woche vom 10. bis 14. Dezember 2001 gefolgt. An den Universitäten in Halle, Augsburg, Bochum und Berlin fanden Warnstreiks statt, an vielen anderen Hochschulen gab es Protestaktionen und Besetzungen von Universitätsräumen. Im Zentrum der Proteste standen die Einführung von Studiengebühren und die befürchtete Privatisierung von Bildungseinrichtungen durch das GATS-Abkommen.

Das 1994 beschlossene internationale Handelsabkommen General Agreement of Trade in Services (GATS), das auch die EU-Staaten unterzeichnet haben, soll den Dienstleistungssektor für die private Wirtschaft öffnen. Dienstleistungen, darunter auch Gesundheitsfürsorge und Bildung, werden als handelbare Waren deklariert. Laut Vertrag können gegen Staaten, die sich dieser Öffnung verweigern, Sanktionen verhängt werden. Zurzeit wird im Rahmen von GATS sowohl über die Liberalisierung des Gesundheitssektors als auch über Bildungspolitik verhandelt. »Mit dem Abkommen soll der »Schul- und Hochschulsektor in die Hände der privaten Wirtschaft« gelegt werden, wird in dem Streik-Aufruf vermutet. Zudem sei eine »Rückführung des Schul- und Hochschulbetriebes in staatliche Hände« praktisch unmöglich, wenn diese Bereiche einmal für die Privatwirtschaft freigegeben sind, heißt es dort weiter.

Die größte Aufmerksamkeit erzielten die Aktionstage in Berlin. Zweimal ließ das Rektorat der Freien Universität (FU) besetzte Hörsäle durch die Polizei räumen. Dabei erhielten jeweils zwischen 70 und 80 Personen Platzverweise und Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Widerstands gegen die Staatsgewalt. Die Leitung des Studentenwerks hatte versucht, trotz vorheriger Genehmigung ein Ska-Konzert im Rahmen der EU-weiten studentischen Proteste im Foyer der FU-Mensa zu beenden. Als die etwa 150 Anwesenden sich weigerten, das Gebäude zu verlassen, wurde es von der Polizei geräumt. Bereits am Vortag war auf Veranlassung des FU-Präsidiums ein Sitzstreik durch die Polizei aufgelöst und ein besetzter Hörsaal geräumt worden. Der AStA kritisierte in einer Erklärung »das unverhältnismäßig harte Vorgehen« der BeamtInnen und beschuldigte das Präsidium, weiter an der »Eskalationsschraube« zu drehen.

Am 11. Dezember hatte eine Vollversammlung der FU einen zunächst zweitägigen Streik beschlossen, der bis zum 18. Dezember ausgeweitet wurde. In einer Resolution wandten sich die StudentInnen gegen die »Entdemokratisierung und Umstrukturierung der Bildung nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien«. Aber auch der Krieg in Afghanistan und das im Rahmen der WTO verhandelte GATS-Abkommen werden in der Resolution abgelehnt. »Wir betrachten uns als Teil einer globalisierungskritischen Bewegung, die sich gegen Privatisierung vormals öffentlicher Güter richtet«, heißt es in der Resolution. Durch das GATS-Abkommen werde der Schul- und Hochschulsektor international privatisiert. Auch nach Beendigung des Streiks soll es weitere Aktionen gegen GATS und die Umstrukturierung des Bildungssystems geben.

Weitere Streiks gab es in Halle, München und Bochum. Während in München nur etwa 300 SchülerInnen den Unterricht boykottierten, protestierten in Halle etwa 1500 StudentInnen und SchülerInnen unter dem Motto Public Education is not for sale!. Zudem blieb das Rektorat der Universität während des fünftägigen Streiks besetzt. Am längsten befanden sich die StudentInnen der Augsburger Bertolt-Brecht-Universität im Ausstand. Eine Vollversammlung der StudentInnen beschloss einen Warnstreik bis zu den Weihnachtsfeiertagen durchzuführen. Nach der Vollversammlung störten mehrere Hundert StudentInnen mit Trillerpfeifen eine Sitzung des Senats.

An der Ruhr-Universität Bochum beschloss eine Vollversammlung des Fachbereichs Sozialwissenschaften einen eintägigen Warnstreik. In der Nacht zuvor hatten StudentInnen den Zugang zur Universität mit einer Mauer aus Pappkartons versperrt. Konkreter Anlass für die symbolische Aktion war die Ankündigung der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin Gabriele Behler bis 2004 so genannte Studienkonten und damit auch Studiengebühren in NRW einführen zu wollen. In einer Resolution lehnten die StudentInnen das Modell ab und forderten den Rektor der Ruhr-Universität auf, sich öffentlich für ein Verbot jeglicher Studiengebühren auszusprechen. Ein umgewandeltes Ulbricht-Zitat sollte die Bundesregierung an ihr Wahlversprechen Studiengebühren zu verbieten, erinnern: »Niemand hat die Absicht Studiengebühren zu erheben« stand auf der 50 Meter langen und 3 Meter hohen Papp-Mauer zu lesen.

Keine Streiks, aber Demonstrationen und Protestaktionen gab es in Cottbus, Tübingen und Köln. In Köln veranstaltete die attac-Hochschulgruppe im Philosophikum der Universität ein Teach-In zum GATS-Abkommen. Der Höhepunkt der Veranstaltung war erreicht, als der Dekan der Philosophischen Fakultät, Walter Pape, die nicht genehmigte Veranstaltung auflösen wollte und sich mit einem Studenten um das Mikrofon stritt. Schließlich gab Pape sich mit dem Versprechen zufrieden, die Lautstärke etwas zu reduzieren.