Zöllner sind Wegelagerer

Kommentar Von Raphaela Häuser

Wer hat noch nie in einem Hauptseminar gesessen, das von 80 StudentInnen besucht wurde? Raum 075 im Philosophikum, zirka 30 Sitzplätze, der Rest der KommilitonInnen auf der Erde, und nie funktioniert die Klimaanlage richtig. Man stelle sich also vor, all die KommilitonInnen, die sich dieses Seminar zwar auf den Belegbogen geschrieben haben, es aber nie besucht haben, kämen tatsächlich! Unwahrscheinlich? Nein! Behler und Zöllner wollen, dass uns richtig warm wird.

Studienkonten heißt ihre Vision. Die Pflichtstundenanzahl plus zwanzig Prozent bekommt man gutgeschrieben und hat die doppelte Regelstudienzeit, um einen Studienabschluss zu erreichen. Wir wollen keine Lanze brechen für das Schummeln auf Belegbögen. Aber wer wird bei einer begrenzten kostenfreien Stundenzahl noch eine Semesterwochenstunde verschwenden, die er vielleicht später teuer bezahlen wird. Es gibt zu viele StudentInnen, hört man immer wieder. Was aber wäre, wenn es zu wenig Lehrpersonal gäbe? Unwahrscheinlich? Nein! Aber wenig DozentInnen können nur wenige Kurse anbieten und die sind längst heillos überfüllt.

Beheben wollen Behler und Zöllner diesen Missstand nicht etwa durch die Einstellung weiteren Lehrpersonals, sondern indem sie uns möglichst schnell wieder los werden. Für jede verbrauchte Semesterwochenstunde bekommt die Universität Geld, noch mehr Geld gibt es allerdings für jede Stunde, die die StudentInnen von ihrem Konto übriglassen.

Wie gerufen kommen da die »innovativen« Kurzstudiengänge wie der Bachelor. Wer wenig Stunden belegt, kostet wenig und bringt einiges ein. Wer dabei auch wenig lernt, kann nicht viel kritisieren, vor allem, wenn ihm dazu keine Zeit bleibt. Die Zeit rennt und brave StudentInnen wollen schließlich noch das Bonusguthaben für ein besonders schnelles Studium mitnehmen. Das kann dann auf ein Aufbaustudium angerechnet werden, denn schließlich ist der Bachelor, weil ordentlich »entschlackt«, nichts wert.

Wer würde da nicht für ein berufsqualifizierendes Aufbaustudium gerne ein paar Euro hinblättern? Unwahrscheinlich? Nein! Die Herren und Damen BildungsministerInnen werden doch nicht mit den Studiengebühren ins Haus fallen, sie kommen durch die Hintertür. Salamitaktik heißt die Devise. Ein gebührenfreies Erststudium hat man uns versprochen. Wir erinnern uns: Das muss kurz sein, damit Stunden übrigbleiben. Mit einem gebührenpflichtigen Konsekutivstudiengang wäre der erste Schritt getan. Warum aber nicht schon ein überlanges Grundstudium mit Studiengebühren bestrafen? So oder so: Der Weg zum gebührenpflichtigen Studium ab dem ersten Semester ist nicht mehr weit.

Damit das Studienkontenmodell auch funktioniert, soll übrigens schon mal ein festes Kontingent an Stunden pro Semester abgebucht werden. Wer sich selber finanziert und zuviel arbeitet kann sowieso nicht ordentlich studieren. Zumindest nicht schnell genug für Behler und Zöllner.

Und damit wirklich niemand mehr studiert als ihm zusteht, sollen die Stunden unter Umständen auf einer Chipkarte erfasst werden. Dazu könnte man doch gleich die Mensakarte ausbauen: Eine Karte für alles, klingt toll. Nebenbei kann man dann außer den belegten Kursen auf der Karte auch gleich abrufen, wer wann und wie lange in der Bibliothek war, welches Buch ausgeliehen hat und was in der Mensa gegessen hat. George Orwells 1984 eine Utopie? Unwahrscheinlich! Orwell hatte einfach nicht genug Phantasie.