USA im Zweiten Weltkrieg

Von Volker Elste

Als sich die USA 1776 für unabhängig erklärten, war das so genannte Zeitalter der Kreuzzüge schon lange vorbei. Trotzdem führten und führen die USA in der offiziellen Diktion aus unterschiedlichen Gründen mehrere Kreuzzüge: Den Ersten Weltkrieg für die Demokratie, den momentanen Krieg in Afghanistan gegen den Terrorismus. Auch der Zweite Weltkrieg bildet keine Ausnahme. So sprach beispielsweise der alliierte Oberbefehlshaber in Europa und spätere US-Präsident Eisenhower von einem »großen Kreuzzug.« Den USA und Großbritannien ginge es um freedom of speech, freedom of religion, freedom from want und um freedom from fear steht in der so genannten Atlantikcharta vom August 1941 geschrieben. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem die USA noch gar nicht in den Krieg eingetreten waren.

Diese offizielle Version wurde während des so genannten Kalten Krieges als Rechtfertigungsgrund für den Krieg gegen das faschistische Italien und das Dritte Reich propagiert. Ihr gegenüber steht die These, der Kriegseintritt der USA habe rein wirtschaftliche Gründe gehabt. Zugespitzt findet sie sich in dem Buch Der Mythos vom guten Krieg. Die USA und der 2. Weltkrieg des belgischen Politikwissenschaftlers Jacques Pauwels.

Die keynesianistischen Maßnahmen des New Deal als Folge der so genannten Großen Depression seien in den Dreißigerjahren gescheitert, so der Ansatzpunkt Pauwels. Der Kriegsbeginn in Europa habe dann dem US-Kapital einen Ausweg aus der Krise gewiesen: Waffenlieferungen nach Europa. Die einzig offene Frage sei gewesen, an wen geliefert werden sollte. Zur Debatte standen Deutschland und Großbritannien. Letztlich hätten sich die BefürworterInnen einer Unterstützung Großbritanniens, zu denen auch Präsident Roosevelt gehört habe, durchgesetzt. Ausschlaggebend sei unter anderem gewesen, dass sich dem US-Kapital nach einem Sieg Großbritanniens riesige Absatzmärkte im Bereich des britischen Empire bieten würden. Deutschland hingegen sei in dieser Hinsicht ein unsicherer Kantonist gewesen, argumentiert Pauwels.

Dieser rein auf wirtschaftlichen Gründen basierende Argumentation für den US-amerikanischen Kriegseintritt ordnet Pauwels alle Ereignisse im Verlauf des Krieges und in der unmittelbaren Zeit danach unter. Nicht ohne zu erwähnen, dass US-Firmen auch Geschäfte mit NS-Deutschland gemacht hätten. So habe Hitler zum Beispiel den Krieg gegen die Sowjetunion nur dank der Öllieferungen der US-Industrie führen können. Auch hätten Firmen wie Ford, General Motors und Coca-Cola weiterhin Profit aus ihren Tochterfirmen in Deutschland gezogen.

In zwei einleitenden Kapiteln beschreibt Pauwels das Verhältnis der USA zum Faschismus und zum Kommunismus. Das US-Kapital habe generelle Sympathien für das nationalsozialistische Deutschland und grundsätzliche Antipathien gegen die kommunistische Sowjetunion gehabt. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion habe dann jedoch die aussichtsreiche Möglichkeit bestanden, »daß es für die ›Zivilisation‹ ideal wäre, wenn die ›zwei gefährlichen Bestien‹, die Nazis und die Sowjets, einander gegenseitig vernichten würden«, schreibt Pauwels in Anlehnung an eine Karikatur in der Chicago Tribune. Der Angriff auf Pearl Harbor habe jedoch die USA gemeinsam mit Großbritannien und der Sowjetunion »formell in ein antifaschistisches Boot« gezwungen.

Die USA hatten somit plötzlich einen Verbündeten, dem sie zutiefst skeptisch gegenüberstanden. Die Zielsetzung der US-Politik nach dem Kriegseintritt im Dezember 1941 war es daher, im Falle eines alliierten Sieges den Einfluss der Sowjetunion in Osteuropa so gering wie möglich zu halten. Noch war jedoch die Sowjetunion »ein ungeliebter, aber nützlicher Partner«, wie Pauwels ein Kapitel überschreibt, da die Sowjetunion die Hauptlast des Krieges zu tragen hatte. Die USA und Großbritannien, argumentiert Pauwels, hätten somit zunächst zum Beispiel auf die Eröffnung der so genannten Zweiten Front in Europa, die Stalin mehrmals einforderte, verzichten können. Erst der Vormarsch der Roten Armee habe dann 1944 zur Landung alliierter Truppen in der Normandie geführt.

Die Darstellung des letzten Kriegsjahres und der Nachkriegszeit gerät Pauwels an einigen Stellen gehörig aus den Fugen. Zwar wollten die USA möglichst weite Teile Deutschlands und auch Berlin besetzen, bevor die Sowjetunion weiter vorgerückt war. Die Bombardierung Dresdens jedoch zum Beispiel als »Signal an Onkel Josefs Adresse« zu sehen und somit auf eine Zielsetzung zu reduzieren, nämlich das Überzeugen der Sowjetunion von der US-amerikanischen Stärke, rückt diese Ereignis gefährlich nahe an den Vorwurf des Kriegsverbrechens. Auch die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagaski lassen sich nicht, wie Pauwels dies macht, ausschließlich auf das Beeindrucken der Sowjetunion zurückführen.

Die US-Politik schwenkte nach Kriegsende schnell auf einen Konfrontationskurs gegenüber der Sowjetunion ein. Die so genannte Deutschlandfrage stand bereits auf der Konferenz von Potsdam im Juli/August 1945 unter der Vorgabe, in der Sowjetunion einen »neuen nützlichen Feind« zu haben. Ebenso die auf die Errichtung eines westdeutschen Teilstaates ausgerichtete Politik nach Potsdam. Dieser Teilstaat sollte nach US-amerikanischen Vorstellungen aus den drei Besatzungszonen der westlichen Alliierten bestehen.

Pauwels Buch verkürzt die Gründe für den US-amerikanischen Kriegseintritt und die Zielsetzung der US-Nachkriegspolitik auf rein wirtschaftliche Faktoren. Dies ist zwar für einige Bereiche richtig, so zum Beispiel für die von der US-Wirtschaft gewünschte Öffnung der europäischen und der zum britischen Empire gehörenden Märkte. Auch das Interesse an einer Konfrontation mit und einem möglichen Untergang der Sowjetunion fallen in diese Kategorie. Eine ausschließliche Erklärung für die Politik der USA gegenüber dem faschistischen Deutschland sind die Interessen des US-Kapitals jedoch nicht.

Jacques R. Pauwels: Der Mythos vom guten Krieg. Die USA und der 2. Weltkrieg, Papyrossa-Verlag, Köln 2001, 16,50 Euro.