»Schaden für uns alle«

Ulla Jelpke zu »Antiterrorpaketen« und Rasterfahndung Von Raphaela Häuser

Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion. Für die philtrat sprach Raphaela Häuser mit ihr über die von Innenminister Otto Schily (SPD) geplanten Gesetzesverschärfungen zur Inneren Sicherheit und die Rasterfahndung.

Welche Maßnahmen wurden bisher durchgeführt, welche Maßnahmen sind geplant?

Was wir seit den Anschlägen vom 11. September in der Innenpolitik erleben, ist eine Politik, die die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen instrumentalisiert, um schon lang gehegte und bisher nicht umsetzbare Pläne zum Abbau von Bürgerrechten und zum Ausbau des Überwachungsstaates zu verwirklichen. Man kann manchmal kaum noch atmen vor lauter Mottenpulvergestank, wenn man sich die einzelnen »Sicherheitspakete« zu Gemüte führt.

Diese von Bundesregierung, Länderregierungen und CDU/CSU in Windeseile geschnürten »Sicherheitspakete« haben mit Terrorismusbekämpfung im eigentlichen Sinne nichts zu tun. Entweder handelt es sich um aktionistische Schnellschüsse oder um uralte Vorschläge, die nun schnell aus der Schublade geholt worden sind.

Dazu gehören Gesetze, die schon lange vor den Anschlägen geplant worden waren, wie die Abschaffung des Religionsprivilegs im Vereinsrecht und der neue Paragraf 129b StGB. Dazu gehören außerdem stark erweiterte Möglichkeiten zur Abschiebung von MigrantInnen, ein gravierender Abbau des Datenschutzes und erhebliche Ausweitungen der Kompetenzen für Verfassungsschutz und andere Schlapphutvereinigungen.

Nur ein geringer Teil der Maßnahmen dient wirklich der Sicherheit gegen eine Wiederholung dieser oder vergleichbarer Anschläge und der Ergreifung der Täter. Von Ursachenbekämpfung im Umgang mit Terrorismus ist derzeit ohnehin nirgends die Rede. Der größte Teil der »Sicherheitspakete« wird alleine zu mehr Machtmitteln und Vollmachten für Polizei, Geheimdienste und Militär führen und zu einem Abbau von Menschen- und Bürgerrechten. Schaden nimmt bei einer solchen Vorgehensweise natürlich der freiheitliche Rechtstaat, also im Ergebnis alle hier lebenden Menschen.

Inwieweit ist das Profil des mutmaßlichen Schläfers, das vom Verfassungsschutz gezeichnet wird, für die Rasterfahndung überhaupt zu gebrauchen?

Insbesondere bei der Rasterfahndung wird zunächst einmal die Unschuldsvermutung in ihr Gegenteil verkehrt: Alle gelten prinzipiell als verdächtig. Daten, die Millionen von Menschen in diesem Land betreffen, werden hin und her geschickt, ohne dass jemand wirklich genau weiß, was mit ihnen passiert, und ohne dass die Betroffenen davon erfahren. Wie obskur das ist, macht die Äußerung des Leiters des Verfassungsschutzes in Brandenburg deutlich, er hätte ein Rekrutierungsproblem, weil diejenigen, die sie durchs Raster jagen, genau diejenigen sind, die sie suchen, um ihr Personal auszuweiten. Der Verfassungsschutz sucht Leute, die arabische Sprachkenntnisse haben, die High-Tech-Spezialisten sind, und vor allen Dingen Leute, die entsprechende Reisegewohnheiten haben. Das sind genau die Kriterien, nach denen auch die Rasterfahndung durchgeführt wird.

Welche Alternativen können aufgezeigt werden?

Terrorismus und Verbrechen bekämpft man nur erfolgreich, wenn man ihre Ursachen bekämpft - nicht durch Repression. Gerade jetzt gilt es, die gesellschaftlichen Grundwerte - Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität - zu bewahren und zu verteidigen. Der beste Schutz gegen Terror, Krieg und andere Gewalt ist eine gerechte internationale Ordnung.

Militär und Polizei sind strikt voneinander zu trennen. Und die Verfolgung von Terroristen wie von anderen Straftätern ist eine polizeiliche Aufgabe, nicht eine des Militärs oder eines Geheimdienstes. Sie hat ausschließlich auf rechtsstaatlicher Grundlage zu erfolgen.

Den Menschen moslemischen Glaubens muss unsere Solidarität gelten. Terrorismus ist kein Kennzeichen des Islam. Menschen sehnen sich nach Frieden - unabhängig von ihrem Glaubensbekenntnis.

Deshalb kann die Konsequenz aus den Anschlägen auch nicht eine Verschärfung des Ausländerrechts sein. Unsere Gesellschaft muss sich als ein offenes Gemeinwesen verstehen und dieses Selbstverständnis auch verteidigen. Gegen Verbrechen hilft das Strafrecht. Das Zuwanderungsrecht ist hier das falsche Betätigungsfeld.

Ansonsten gibt es natürlich viele weitere konkrete Punkte, die man zweifellos diskutieren kann, zum Beispiel Flugsicherheit. Wir plädieren dafür, dass man das Cockpit besser gegenüber dem Passagierraum sichert. Man kann aber auch Maßnahmen wie den unbewaffneten Schutzmann an der Ecke oder ähnliche Dinge diskutieren.

Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass für die Flüchtlinge aus Afghanistan die Grenzen geöffnet werden - dass Deutschland sich endlich bereit erklärt, diesen Flüchtlingen wirklich zu helfen.

An der Universität Köln werden die Daten aller Studenten, die nach 1963 geboren und nach 1996 immatrikuliert sind, gerastert. Wie kann man sich wehren?

Man kann Informationen darüber beschaffen und verbreiten, wer auf Grund welcher Kriterien Opfer der Rasterfahndung wird und was das für die Betroffenen bedeuten kann. Des Weiteren finde ich es sehr richtig, dass die ASten an verschiedenen Universitäten dagegen klagen, dass hier das vom Bundesverfassungsgericht aus Artikel 2 des Grundgesetzes entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eklatant verletzt wird. Eine andere Möglichkeit ist, mit Demonstrationen und anderen Aktionen dagegen zu protestieren, dass hier unschuldige Menschen durchs Raster geschickt werden und in Dateien landen, die unkontrollierbar sind, und - wie wir wissen - in aller Wahrscheinlichkeit in Kürze vom Verfassungsschutz genutzt werden können.

Was, wenn der AStA, wie zum Beispiel in Köln, sich nicht engagiert?

Ich fände es schon seltsam, wenn sich der AStA, also die Interessenvertretung der Studierenden, nicht in einer Frage engagieren wollte, die die Studierenden existenziell betrifft. Aber selbst dann muss ja nicht der AStA klagen, sondern auch der oder die einzelne Betroffene kann sich gerichtlich gegen die »Rasterung« wehren. Hierfür kann man sich aber auch in Gruppen zusammenschließen, um nicht ganz alleine dazustehen. Außerdem kann man sich an Datenschutzbeauftragte wenden mit der Bitte um Überprüfung der im Rahmen der Rasterfahndung ergriffenen Maßnahmen aus datenschutzrechtlicher Sicht. Gleichzeitig kann man auch bei Bundestags- und Landtagsabgeordneten gegen die Durchführung der Rasterfahndung protestieren.