»Die Rasterfahndung verdient den Namen nicht«

Interview mit Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler Von Patrick Hagen

Wilhelm Achelpöhler vertritt einen Studenten an der FH Münster, der gegen die Weitergabe seiner Daten Beschwerde eingelegt hatte. Das Amtsgericht Düsseldorf und das Düsseldorfer Landgericht in zweiter Instanz lehnten die Beschwerde bereits ab. Für die philtrat sprach Patrick Hagen mit ihm über Rasterfahndung und Datenschutz.

Welche Voraussetzungen müssen für die Anordnung einer Rasterfahndung vorliegen und sind diese überhaupt erfüllt?

Die Zulässigkeit der Rasterfahndung ist in NRW nach Paragraf 31 des Polizeigesetzes geregelt. Danach ist die Rasterfahndung zulässig, wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person besteht. Für eine ›gegenwärtige Gefahr‹ gibt es folgende Begriffsbestimmung: Bei einer gegenwärtigen Gefahr muss die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen haben oder unmittelbar oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen. Das Amtsgericht Düsseldorf hat diese Gefahr bejaht. Die Begründung des Gerichts ist die, dass in Nordrhein-Westfalen terroristische Anschläge drohen. Dieser Auffassung bin ich nicht. Jedenfalls habe ich dafür keine Anhaltspunkte, nach dem was die Polizeibehörden, die Landesregierung und alle anderen sagen.

Was für Folgen kann diese Art der Fahndung für die Betroffenen haben?

Die Rasterfahndung, die wir jetzt hier in Nordrhein-Westfalen haben, ist sehr umfangreich. Es werden die Daten von allen Männern zwischen 18 und 41 Jahren übermittelt, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, unabhängig davon, ob sie studieren. Bei der Polizei bleibt dann ein riesiger Datensatz übrig. Es ist ja nicht so, dass dann drei Verdächtige übrigbleiben, sondern es sollen arabische Studenten aus bestimmten Staaten, kinderlos, mit legalem Aufenthalt herausdestilliert werden. Der zweite Schritt ist dann schon absehbar: Für diese arabischen Studenten folgt die nächste Rasterfahndung, indem beispielsweise ihre Daten bei den Banken ins Visier genommen werden. Dort wird geguckt, ob es unregelmäßige Zahlungseingänge gibt oder nicht. Und wenn es die gibt, wird das als weiterer Beleg dafür genommen, dass man dieser verdächtigen Gruppe angehört. Spätestens dann haben wir eine ganz erhebliche Grundrechtebeeinträchtigung. Stellen Sie sich mal vor, Sie stehen bei Ihrer Bank und lösen einen Scheck ein und dieser Bank war gerade mitgeteilt worden, dass wegen der Suche nach terroristischen, islamistischen Gewalttätern, die Daten Ihres Kontos abgefragt werden.

Warum werden diese Daten gesammelt? Wird jetzt eine willkommene Gelegenheit genutzt, an große Datenmengen zu kommen, oder ist das Ganze eher als Einschüchterungsinstrument zu werten?

Ich vermute zwei Motive dahinter: Das erste ist, der Staat will demonstrieren, dass er handlungsfähig ist; auch wenn die ganze Rasterfahndung ein Schlag in die Luft sein wird, wie ich vermute. Alle Erfahrungen der Rasterfahndung zeigen, dass sie nur in den seltensten Fällen überhaupt erfolgreich sein kann. Als zweites glaube ich, dass es auf Seiten der Polizei sicher genug Leute gibt, die sich freuen, dass wieder Rasterfahndungen durchgeführt werden. Der ehemalige Präsident des Bundeskriminalamts, Horst Herold, hat gesagt, dass das Instrument der Rasterfahndung aufgrund des massiven Protests, den es in der Bevölkerung, aber auch vonseiten der Politik gegeben hat, ab Mitte der Achtzigerjahre nicht mehr genutzt worden sei. Erst in den Neunzigerjahren wurden wieder vereinzelt Rasterfahndungen durchgeführt. Im Zusammenhang mit dem Volkszählungsurteil gab es eine gewisse Sensibilisierung, die dazu geführt hat, dass Rasterfahndungen nicht mehr zu machen waren. Und jetzt werden sie wieder durchgeführt.

Warum wird die Rasterfahndung eigentlich nicht bundesweit einheitlich durchgeführt?

Das bemerkenswerte ist ja der Doppelcharakter der Polizei. Sie kann zur Verhinderung von Gefahren und zur Strafverfolgung tätig werden. Wenn sie im Bereich der Strafverfolgung tätig wird, dann ist sie den Staatsanwaltschaften nachgeordnet. Bei der Gefahrenabwehr ist das nicht der Fall. Offensichtlich arbeitet die Polizei gerne ohne die Staatsanwaltschaften, denn es wäre ein leichtes gewesen, diese Rasterfahndung bundesweit auf der Grundlage der Strafprozessordnung durchzuführen. Dann hätte man eine Rasterfahndung bundesweit nach gleichen Kriterien. Das ist in der Strafprozessordnung seit ein paar Jahren geregelt.

Diese Rasterfahndung verdient den Namen nicht; es handelt sich nicht um eine Fahndung. Eine Fahndung ist die Suche nach bekannten oder unbekannten einzelnen Personen im Rahmen einer Strafverfolgung. Das ist ja gerade hier nicht der Fall.