Die Rente des Ölscheichs

Der Nahe Osten im Umbruch stellt sozialwissenschaftliche Ansätze zur Analyse des Nahen Ostens vor Von Hanna-Lisa Hauge

Von außen betrachtet scheint sich in den Staaten von Marokko bis Jordanien seit Jahrzehnten nichts an den autoritären politischen Strukturen zu ändern. Woran liegt das? Welche gesellschaftlichen Veränderungen laufen unter der Oberfläche ab? Und welche Rolle spielen externe AkteurInnen wie die Europäische Union, die in diesen Ländern durch Programme und Verträge die Demokratisierung fördern will? Der Band Der Nahe Osten im Umbruch, der im VS Verlag für Sozialwissenschaften erschienen ist,

enthält Beiträge verschiedener WissenschaftlerInnen zu theoretischen Ansätzen und aktuellen Fragestellungen zu diesen Themen.

Einer der wenigen politikwissenschaftlichen Ansätze, die sich explizit für die Analyse von Staaten des Nahen Ostens eignen, ist beispielsweise der Rentierstaats-Ansatz (hier liegt die Betonung auf der zweiten Silbe und es geht nicht um die Tierart mit Geweih). Er wurde in den Achtziger Jahren entwickelt. Die Aufsätze verschiedener WissenschaftlerInnen, darunter Martin Beck - einer der vier Herausgeber­Innen, behandeln den Rentierstaats-Ansatz im ersten Teil des Buches. Er besagt, dass viele der Regierungen dieser Länder so genannte Renten zur Verfügung haben, und dadurchdie autoritären politischen Strukturen leichter erhalten können. Rente meint jedoch in diesem Zusammenhang nicht Mittel aus der Altersvorsorge, sondern eine bestimmte Art von Bezügen, die Staaten erhalten, ohne dass sie dafür eine Gegenleistung erbringen. Ein Beispiel sind die Erlöse aus dem Verkauf von Rohstoffen wie Öl. Diese Gewinne stehen den Regierenden mehr oder weniger frei zur Verfügung und das kann laut These des Ansatzes dazu führen, dass sich die herrschenden Eliten selbst privilegieren, ohne die Entwicklung ihres Landes zu fördern.

Die verschiedenen Aufsätze sind einerseits aufschlussreich für Studierende der Sozialwissenschaften, die von den oftmals auf die »westlichen« Staaten beschränkten Lehrinhalten genug haben. Sie dürften aber auch Studierende der Islamwissenschaft oder ähnlicher Fächer interessieren, die mehr über die sozialwissenschaftliche Forschung zu diesem Länderkomplex erfahren wollen. So bietet das Buch eine fundierte Einführung in aktuelle wissenschaftliche Ansätze und Theorien jenseits der oberflächlichen medialen Beschäftigung mit dem Nahen Osten.

Der Nahe Osten im Umbruch - Zwischen Transformation und Autoritarismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, 333 Seiten, 34,90 Euro.