Rassismus an Unis aufdecken

In Berlin spürt die Gruppe Uniwatch diskriminierende Äußerungen an Hochschulen auf und stellt die DozentInnen zur Rede. Sie fordert Standards im Umgang mit Rassismus an Universitäten. Von Carolin Wedekind

Was hat der Begriff »Rasse« im Grundgesetz zu suchen? Und wer hat eigentlich dem ethnologischen Museum all die schönen Sachen geschenkt? Diese und weitere Fragen können Studierende derzeit an einigen schwarzen Brettern Berliner Universitäten lesen, ohne sofort die Antwort mitgeliefert zu bekommen. Die AutorInnen der Fragenkampagne wollen damit auf die Problematiken Kolonialismus und Rassismus aufmerksam machen, die auch an Hochschulen oft ignoriert werden.

Die Gruppe nennt sich AK Uniwatch und hat es sich neben der Plakatkampagne vor allem zur Aufgabe gemacht, rassistisches Verhalten oder Äußerungen von Lehrenden zu thematisieren. Oft fühlen sich Studierende, die in Hörsälen mit Rassismus konfrontiert werden, sehr hilflos gegenüber den DozentInnen (siehe philtrat 85). »Die Meisten im Hörsaal sagen nichts«, weiß Aktivistin Cano auch aus eigener Erfahrung. »Die Betroffene muss sich dann gegen 50 Leute wehren, auch wenn 49 schweigen.« Uniwatch will deshalb ein Netzwerk aufbauen, das Betroffenen in solchen Fällen hilft, Beschwerdebriefe zu formulieren oder die Lehrenden in der nächsten Sitzung zur Rede stellt. »Es ist uns wichtig, dass der Protest nicht nur an einer Person hängt«, sagt Cano.

Bisher gibt es nur in Berlin eine Lokalgruppe mit regelmäßigen Treffen, aber die AktivistInnen hoffen auf ein wachsendes Netzwerk. Unter akuniwatch.wordpress.com dokumentieren sie einzelne Vorfälle und bieten betroffenen Studierenden Tipps, wie sie intervenieren können. »Oft bestreiten Lehrende, dass Äußerungen rassistisch waren«, sagt Cano. Mit Rassismus verbinden viele nur prügelnde Rechtsradikale. Einwände von Studierenden gegen rassistische Lehrinhalte werden deshalb nicht ernst genommen. »Es ist aber wichtig, Rassismus als gesellschaftliches Phänomen zu begreifen.« Im April dieses Jahres sprach ein weißer Professor für Semitistik/Arabistik der Freien Universität Berlin (FU) beispielsweise von »Schwarzafrika«, um das Gebiet südlich der Sahara zu bezeichnen. »Aus postkolonialer Perspektive kann dieser Begriff nicht benutzt werden«, sagt Cano. »Auch nachdem ein Vorlesungsteilnehmer den Professor darauf hingewiesen hat, hat er das Wort völlig unreflektiert weiter benutzt.« Ein offizielles Gesprächsangebot von Uniwatch lehnte das Institut ab und wollte die Diskussion lieber intern führen. »Wir wissen nicht einmal, ob das Gespräch überhaupt stattfindet«, sagt Cano. »Ein rassismusfreier akademischer Raum ist derart intransparent nicht möglich.«

Helfen könnte ein offizielles Regelwerk. Zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten setzt sich Uniwatch an der FU für eine so genannte Diversity Policy ein. Diese soll Standards festlegen und vorschreiben, wie auf institutioneller Ebene mit Rassismus umgegangen wird. »Lehrende, die sich nicht an diese Standards halten wollen, müssten gegebenenfalls auch von der Uni entfernt werden können«, sagt Cano.

»Wer war May Ayim?« steht auf einem weiteren der Fragenplakate. Erst kürzlich zeigte eine Debatte um die afrodeutsche Dichterin und Aktivistin May Ayim die Ignoranz einiger deutscher HistorikerInnen gegenüber Kolonialverbrechen. Anfang des Jahres wurde eine Berliner Straße, die zuvor den Namen eines preußischen Kolonialisten trug, nach Ayim benannt. Begleitet wurde die Umbenennung von einigen erschreckenden Zeitungsartikeln. In der FAZ Ausgabe vom 8. Januar 2010 wurde Sklavenhandel verharmlost. In der Berliner Zeitung vom 2. Februar 2010 sah Verschwörungstheoretiker Götz Aly in der Straßenumbenennung altstalinistische Geschichtsklitterung am Werk. Und die Kolonie sei nur ein »Koloniechen« gewesen