Romantik im alten Stil

Dafür und dagegen XIV: Der Liebsten oder dem Liebsten einen Maibaum aufstellen - Ja oder Nein? Von Laura Reina, C. Wienen

dafür

Wer hat als junges Mädchen nicht davon geträumt, einen Maibaum oder ein Maiherz zu bekommen? Man steht eines schönen Frühlingsmorgens auf und da steht er: ein schöner Baum, geschmückt mit bunten Bändern. Vielleicht lehnt auch am Türrahmen ein rotes Herz aus Krepp-Röschen. In jedem Fall ist es ein Kunstwerk, liebevoll gebastelt vom Freund oder dem, der es einmal werden könnte. Ich denke, so ziemlich alle Frauen, die aus dem Rheinland kommen, haben sich das insgeheim schon einmal gewünscht - auch wenn man damals vielleicht noch so getan hat, als ob man diese Tradition absolut bescheuert fände..

Wir wollen es also zugeben: Der Maibaum-Brauch ist die beste Gelegenheit, das Herz eines Mädchens zu erobern. Wie kann man seiner Herzdame besser zeigen, wie sehr man sie liebt? Gleichzeitig bietet er die geeignete Herausforderung für jeden (Möchtegern-) Liebhaber, der der Angebeteten einen Beweis seiner Liebe erbringen will. Schließlich verlangt es einigen Mut seitens der Männer, ihre Liebe so öffentlich zu bekunden. Das ist uns Frauen schon viel wert.

Natürlich zählt nicht nur die rein romantische Komponente. Immerhin hat die Männerwelt dadurch auch einmal jährlich eine unschlagbare Ausrede für einen netten, feuchtfröhlichen Abend mit den Kumpels. Womit wir beim nächsten Vorzug der Maitradition wären: Sie fördert das Miteinander. Ob auf dem Dorf oder in der Großstadt - beim Tanz in den Mai kommen alle zusammen. Und wer noch keine Mailiebe hat, lernt sie nun vielleicht kennen. Also liebe Männer, fasst euch ein Herz und fangt an Röschen zu drehen. Geht in den Wald und hackt einen Baum. Es ist noch genug Zeit bis zur Mainacht. Und vielleicht zahlen wir es euch ja im nächsten Schaltjahr heim: mit viel buntem Krepppapier.

Laura Reina

dagegen

Es ist das traurige Frühlings-Highlight des Jahres: Die werten Herren treffen sich am Abend zum ersten Mai in feuchter Runde und binden Kreppband um Äste und Gestrüpp. Im Morgengrauen machen sie sich dann auf den Weg, mal mit Bollerwagen, mal auf Rädern, und klappern die Wohnungen und Häuser der Liebsten ab. Sie schleichen sich grölend ans Haus heran, legen eine Leiter an und unter fachmännischem Lallen wird nun der beste Platz für den geschmückten Zweig gesucht. Ausgestattet mit demselben wird der Verehrer dann zur Leiter geschubst und begibt sich ans wacklige Werk.

Ist die Flagge gehisst, kein Ziegel beschädigt und der Mann wieder gesund am Boden, wird frau verstohlen die Tür aufmachen. Sie kann leichtes Erstaunen vortäuschen, welches schnell in Freude übergehen sollte und den Herren ein bereits gekühltes Gläschen Korn anbieten. Die Freude über diesen Liebesbeweis hält dann noch ungefähr zwei Tage. Dann setzt entweder der erste Regen ein und der Baum sieht nur noch schäbig aus oder der Wind versetzt ihm einen Stoß und schiebt ihn bedrohlich nah an die Regenrinne heran.

Frau wartet daraufhin bis zum ersten Juni, wenn hoffentlich irgendwer, am besten der Wohltäter selbst, das Ding wieder runter holt. In diesen Tagen wirft sie immer wieder einen besorgten Blick aufs Dach und fleht, dass der Ast ihr nur nicht auf den Kopf fallen möge. Die aufgeweichten Kreppbandfetzen wehen derweil in den Garten und müssen dort möglichst trocken eingesammelt werden, um nicht alles einzusauen. Zu guter Letzt wird frau auch noch dazu verdammt, den Ast mit Kreppband zu entsorgen, da die Männer ihr Werk als selbst gemachtes Geschenk betrachten. Kurzum: Ein schöner Strauß Blumen wäre mir lieber. Man munkelt ja, im Schaltjahr dürften auch die Frauen Maibäume setzen. Ich tue mal so, als hätte ich das nicht gehört.

Cornelia Wienen