Das Haus der Selbstmorde

Viele Orte in Köln sind geschichtsträchtig - auch einige, von denen man es nicht erwartet. Das Kölner Unicenter gehört in diese Kategorie. Von Dana Römling

Zu den wohl spektakulärsten Tagen in der Geschichte des Unicenters gehört der 13. Oktober 1977. An diesem Tag wäre das Haus fast zum Schauplatz eines politischen Dramas geworden: Die Rote Armee Fraktion (RAF) entführte damals die Lufthansa-Maschine »Landshut« nach Mogadischu und nahm die PassagierInnen als Geiseln. Hektische Ermittlungen des Bundeskriminalamts waren die Folge - dabei geriet das Unicenter ins Visier der FahnderInnen. Angehörige der Anti-Terror-Einheit GSG 9 durchsuchten mehrere Wohnungen des Hochhauses und stellten fest, dass Mitglieder des RAF-Kommandos »Siegfried Hausner« eine davon gemietet hatten. Wie sich später herausstellte, hatten sie dort die Entführung des damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer vorbereitet. Die GSG 9 fand zwar keine RAF-Mitglieder mehr vor. Dennoch durchsuchte die Polizei des Unicenter im Laufe des Herbstes noch mehrere Male.

Die GSG-9-Durchsuchung im Herbst 1977 ist nur eins von vielen unerfreulichen Ereignissen, deren Schauplatz das Unicenter bereits war. Der unter Kölner Studierenden verbreitete Spitzname »Springer-Hochhaus« deutet es an: Schon viele Menschen wählten den Sprung vom Unicenter als Weg in den Freitod. Heute sollen strenge Sicherheitsvorkehrungen weitere Selbstmorde verhindern. So darf, wer nicht zu den BewohnerInnen des Hauses gehört, nur als geladener Gast hinein. Im Erdgeschoss gibt es eine Rezeption, die rund um die Uhr besetzt ist und bei der man sich anmelden muss, bevor man nach oben fahren darf. Diese Einschränkung soll auch HaustürvertreterInnen abschrecken und den HausbewohnerInnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Rundum erfolgreich scheinen die VerwalterInnen des Hauses damit allerdings nicht zu sein. Erst in diesem Herbst gab es offenbar einen weiteren Selbstmord im Unicenter. Einzelheiten möchte die Immobiliengesellschaft, die das Haus verwaltet, nicht mitteilen.

Der Grundstein für das Unicenter wurde im Februar 1971 gelegt. Die ersten BewohnerInnen zogen schon im August 1973 ein, nach nur zweieinhalb Jahren Bauzeit. Architekt ist der Kölner Professor Werner Ingendaay, der das Gebäude mit insgesamt 49 Geschossen konstruierte. Diese teilen sich in drei Untergeschosse, das Erdgeschoss und bis zu 45 Obergeschosse auf. Höchster Gebäudeteil ist der Mittelturm mit 133 Metern. Im Unicenter leben derzeit rund 2000 Menschen auf 60000 Quadratmetern in insgesamt 954 Wohnungen. In mehr als einem Drittel der Wohnungen leben Studierende. Ihr Vermieter ist das Kölner Studentenwerk. Die unterschiedlichen Gebäudeflügel sind mit den Buchstaben »U«, »N« und »I« benannt und werden durch den Gebäudeteil »C« verbunden - daher der Name Unicenter. Über das Haus verteilt gibt es neun Aufzüge.

Vom Hauptgebäude der Universität liegt das Unicenter etwa zehn Minuten Fußweg entfernt, an der Linie 18 auf der Luxemburger Straße. Neben Restaurants, Kneipen, Kiosken und Bäckereien gibt es im Unicenter eine Apotheke, einen Friseur und ein Fitnessstudio. Das Haus war auch schon einmal Schauplatz eines Films: Dort spielen mehere Szenen der Heinrich-Böll-Verfilmung »Die verlorene Ehre der Katharina Blum« von Margarethe von Trotta und Volker Schlöndorff 1975.