So gut wie scheintot

Die Privatuni Witten-Herdecke steht vor der Insolvenz. Die Verantwortlichen probieren immer neue Finanzierungsmodelle. Von Gregor Leyser

Witten-Herdecke, die älteste Privatuni Deutschlands, hat in den vergangenen Monaten weniger durch Erfolge in Forschung und Lehre als vielmehr durch immer neue Finanzprobleme auf sich aufmerksam gemacht. Mitte vergangenen Dezembers schien die Uni endgültig gescheitert zu sein. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte angekündigt, ihr für 2008 kein Geld geben zu wollen, und forderte zudem die Zuwendungen aus 2007 zurück. Zwar änderte das Land in letzter Minute seine Meinung. Doch immer noch gibt es Stimmen, die dafür plädieren, Witten-Herdecke insolvent gehen zu lassen.

Die Probleme der einstigen Vorzeige-Privatuni begannen im Jahr 2005. Damals attestierte der Wissenschaftsrat, wichtigstes Beratungsgremium von Bund und Ländern für Belange wissenschaftlicher Einrichtungen, der Uni »erhebliche strukturelle Probleme und Defizite bei Lehre und Forschung«. Als Konsequenz sollte Witten-Herdecke sich neu als Universität akkreditieren lassen und nachweisen, dass sie akademischen Mindestanforderungen gerecht wird.

Größtes Problem der Uni ist aber nach wie vor ihre Finanzierung. 2007 hatte sie sich von dem bisherigen Studiengebührenmodell verabschiedet. Der so genannte Umgekehrte Generationenvertrag sah vor, dass die Studierenden nicht nur während des Studiums Gebühren bezahlen, sondern nach ihrem Abschluss bis zu zwölf Jahre lang einen Teil ihres Einkommens an die Universität abtreten sollten. Stattdessen kümmert sich seitdem der Fondsanbieter Deutsche Bildung um einen Teil der Finanzierung, der eine Rendite von sieben Prozent erwartet. Er stellt Geld aus einem Fonds bereit, in den AnlegerInnen investieren sollen. Studiengebühren gibt es trotzdem noch.

Zusätzlich wurde zunächst eine Düsseldorfer Unternehmensberatung, Spezialistin für Unternehmenssanierungen, als Großsponsorin gewonnen. Nach einer ersten Zahlung von knapp drei Millionen Euro wollte sie die Unterstützung allerdings nur fortführen, wenn sie die Mehrheit der Gesellschafteranteile an der Uni bekommt. Um das zu vermeiden, trennte sich Witten-Herdecke wieder von der erst als Retterin gefeierten Sponsorin.Im Anschluss versuchte Präsident und Geschäftsführer Birger Priddat, die Hochschule mit einem neuen Finanzierungskonzept aus ihrer Schieflage zu befreien. Er hob die Studiengebühren kräftig an und wollte zusätzlich mit Krediten das Überleben der Privatuni sichern. Doch nachdem das nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerium seine Zuschüsse strich, warf er im vergangenen Dezember das Handtuch.

Nach dem Abschied Priddats darf sich nun sich Witten-Herdecke-Alumnus Michael Anders als neuer kaufmännischer Leiter versuchen, der zuvor mit Großprojekten einer Förderstiftung betraut war. Diese soll zusammen mit einer weiteren privaten Stiftung und einem Verein das Überleben der Uni zumindest bis Ende des Jahres sicherstellen. Beide Stiftungen hatten schon früher versucht, als Investorinnen bei Witten-Herdecke einzusteigen, waren von der Uni aber abgelehnt worden.

Für einen langfristigen Erhalt fehlt noch immer ein Konzept. Zuletzt hatte sich ein bis dato anonymer Investor aus der Türkei mit einem zweistelligen Millionenangebot ins Gespräch gebracht. Allerdings ist dieses, wie auch andere Hilfsangebote, daran geknüpft, dass auch die Landesregierung die Uni weiter unterstützt. Allzu gut sieht es derzeit nicht aus: Eine aktuelle Untersuchung der WirtschaftsprüferInnen von Ernst & Young bezeichnet die derzeitige Lage von Witten-Herdecke als »katastrophal«.