Wenn dat Trömmelsche jeht...

Dafür und dagegen VI: Kölner Karneval mitfeiern - ja oder nein? Von Julia Groth, Nina Weinbrenner

dafür

Ende Februar werden viele Menschen Köln eilig verlassen. Dann nähert sich die Karnevalssaison ihrem Höhepunkt. Die Begründungen der Karnevalsmuffel für ihren Exodus ändern sich mit den Jahren kaum: Zu viele Betrunkene überall, deshalb auch zu viele AntatscherInnen, und überhaupt sei Karneval eine piefige Veranstaltung. Letzteres mag für den Sitzungskarneval mit Funkemariechen und Altmännerreden gelten - der Straßenkarneval aber wird jedes Jahr neu erfunden, nämlich von den Menschen, die ihn feiern.

Allein schon, weil Karneval das demokratischste aller Feste ist, muss man die jecken Tage eigentlich mögen. Wann sonst können BWLerInnen und IndologInnen sich ohne Vorurteile auf der Straße begegnen, Polohemden und Walle-Kleider unter Mönchskutten oder Vampirumhängen versteckt? Die allgemeinen Alkoholexzesse bringen natürlich in der Tat einige unangenehme Nebenwirkungen mit sich.

Dazu gehören leider auch unerwünschte Angriffe auf diverse Körperteile. Aber dennoch: Sogar das Grabschen, das ja leider auch den Rest des Jahres über in Kneipen oder auf Partys vorkommen kann, spielt sich an Karneval demokratischer ab als sonst. Denn man hört nicht nur Frauen, sondern auch Männer klagen: »Eine Biene hat mir an den Po gepackt!« Generell kommt es natürlich an Karneval ebenso wie den Rest des Jahres darauf an, die Kneipen, Clubs oder Straßen mit passender Atmosphäre zu finden. Karneval ist nicht gleich Karneval - es laufen nicht einmal überall dieselben Lieder, auch wenn es manchmal so klingt. Wer üblicherweise in Edel-Clubs verkehrt, sollte nicht gerade an Karneval eine kölsche Eckkneipe aufsuchen und sich dann wundern, dass ihm Stimmung und Publikum dort nicht gefallen. Die Stadt gleich zu verlassen, ist aber eindeutig übertrieben. Wer es keine sechs Tage in einer Stadt aushält, in der ein Großteil der Bevölkerung kollektiv Spaß hat, hat kein Problem mit Karneval, sondern mit seinem Sozialverhalten. Und sollte vielleicht versuchen, einmal mitzuschunkeln - vielleicht macht es ja doch Spaß.

Julia Groth

dagegen

Laute kölsche Musik, gutgelaunte Menschen, viel Alkohol und bunte Deko in der ganzen Stadt. Für die meisten KölnerInnen ist das die schönste Zeit des Jahres. Für viele NichtkölnerInnen ist es der Zeitpunkt, an dem sie Köln fluchtartig verlassen, Fernseher und Radio meiden, um dem jecken Treiben zu entgehen. Am besten in die Berge oder aufs Land, wo es nach Möglichkeit weder Zeitungen noch NachbarInnen oder Elektrizität gibt. Und das liegt nicht daran, dass sie Spaßbremsen wären. Manchmal erschlägt die kölsche Kultur sie einfach. Die KölnerInnen halten viel von ihrer Tradition, Karneval zu feiern. Doch wenn man damit nicht groß geworden ist, kann man das nicht immer nachvollziehen. Man leidet vielmehr darunter, dass die Stadt überlaufen ist von verkleideten Menschen, dass Bahnen und Busse nicht regelmäßig fahren und man im schlimmsten Fall nicht dahin kommt, wo man hin möchte. Sollte man doch das Glück haben, eine passende Bahn zu bekommen, ist diese meistens völlig überfüllt und man wird von Betrunkenen in seltsamen Kostümen belästigt.

Schließt man sich den Menschenmassen an, die sich den Rosenmontagsumzug vor Ort ansehen wollen, passiert es leicht, dass man sich den einen oder anderen blauen Fleck einhandelt, da ringsum alle um die Kamelle kämpfen. Hat man Pech, wird man dabei von der Menge halbtot getrampelt. Da wünscht man sich zurück in sein Bett, mit Ohropax im Ohr und der Bettdecke über den Kopf. Doch am schlimmsten sind die vielen Betrunkenen, die ihre Hemmungen komplett verlieren. Steht man zu lange regungslos an einer Stelle, könnte man für einen Baum gehalten werden, der nach Hundemanier erst einmal anpinkeln werden muss. Oder man stolpert über Pärchen, verkleidet als Nonnen oder Kühe, die sich vor Karneval noch nie gesehen haben und sich danach vermutlich nicht mehr sehen werden. Spaß zu haben ist nicht verwerflich, und auch viele NichtkölnerInnen haben Spaß. Doch braucht man dafür kein festgelegtes Wochenende. Spontan feiern gehen, weil man es selbst will, macht aus Sicht einer Nichtkölnerin einfach mehr Spaß.

Nina Weinbrenner